Darauf einen Eierlikör! Wie dürfen wir mit Hochalterigen umgehen?

03 Jan
3. Januar 2014

Brief 58/2014 vom Januar 2014

Guten Tag,

mich beschäftigen weiterhin die Kritik und der anschließende Nicht- Streit über die Korrektheit des Motivs „Eierlikör„.

Ich halte den Streit für exemplarisch.

eierlikör

 

 

Je unsicherer eine Gesellschaft im Umgang mit einer Gruppe ist, desto heftiger wird political correctness eingefordert. Das ist einerseits richtig, weil diese Gruppe besonders schutzbedürftig ist (oder doch zu sein scheint), andererseits kann solch zumeist übertriebene Schonhaltung den echten ehrlichen Diskurs verhindern. Nun also die Hochalterigen: Je mehr die Gruppe der fitten Alten im Zentrum der Gesellschaft ihren Platz behauptet („Der Ruhestand kommt später“), desto mehr wächst die Gefahr, dass die nächäletere Gruppe, die Hochalterigen, an den Rand gedrückt wird. Behilflich sind dabei ausgerechnet jene, die den Anspruch haben, sie zu vertreten. Offenbar wird unterstellt, die Betroffenen könnten ihre Interessen nicht selbst am besten vertreten.  Auch dieses Verhalten ist für viele Gruppen nachweisbar.

Zur Erinnerung:Es handelt sich um den 2. Sieger des Jugend-Wettbewerbs „Mach dich stark! Für andere!“, die ZMG, Aktion Gemeinsinn und bagfa gemeinsam durchgeführt haben. Der Wettbewerb wendet sich an junge Kreative, es geht um Anzeigenmotive für Zeitungen.  Der Berliner Seniorenbeirat hatte das Motiv kritisiert und die ZMG aufgefordert, das Motiv, das als Sieger Zeitungen zum pro bono Nachdruck angeboten worden war, zurückzuziehen. Hier die Kritik:

http://www.landesseniorenbeirat-berlin.de/index.php?ka=4&ska=-1&idn=18

Ich hatte daraufhin namens der Aktion Gemeinsinn eine öffentliche Veranstaltung mit der Verantwortlichen und Anderen angeregt. Zu meiner Überraschung ist der Berliner Seniorenbeirat diesem Vorschlag ausgewichen. Ich solle mich an die bundesweite Vertretung wenden , schreibt i.V. Vorstand Annett Kosche, Leiterin der Geschäftsstelle., ohne Angabe von Ansprechpartner und frei von näherer Begründung. „Zum Vorschlag der Aktion Gemeinsinn als einem bundesweit tätigen Verein wurde empfohlen,den Kontakt zu einer Seniorenorganisation auf Bundesebene aufzunehmen. Der Landesseniorenbeirat Berlin wird sich auf seine Aufgaben im Land Berlin konzentrieren.“ (Mail vom 28.11. 2013)  Warum  sich die Berliner zum bundesweit geschalteten Motiv zu äußern animiert fühlten, zur Diskussion dann aber nicht, bleibt ihr Geheimnis. Motto: Wir haben recht und wünschen keine Verunsicherung durch Diskurs. Aber: Wer kritisiert, muss sich auch kritisieren lassen. Und die Fakten kennen. Was sagen die Macherin der Anzeige, was die Jury?

Merle Rosen, 22, Kunstschule Alsterdamm, verantwortlich für Bild und Text der Anzeige, schreibt, sie habe die alte Dame über das Altersheim, in dem ihr Freund arbeite, kennen gelernt. Und weiter: „Ich freu mich total und hoffe, die alte Dame freut sich ebenso.“ (w&v 17/2013)  Juror Niklas Frings-Rupp, Miami Ad School „Das Motiv spricht nicht in Floskeln, sondern ist direkt und provokant. Es spricht aus dem Herzen und stellt humorvoll die Problematik dar.“  Der Abspann der Anzeige, die unten nochmals zur Diskussion gestellt wird, lautet:“ Vielen älteren Menschen ist Deutschland ist langweilig. Dabei können Gespräche mit ihnen sehr amüsant sein. Engagiere dich ehrenamtlich- davon profitieren beide Seiten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer:

Die Debatte um richtige Altersbilder wird, kaum ist sie in Gang gekommen in Verabschiedung rein defizitärer Altersbilder, schon wieder durch political correctness Bemühungen verstellt. Korrektheitseinforderung statt Konfliktaustragung ist Ausweis von Schwäche.

Mit besten Grüßen und guten Wünschen für 2014

Henning v. Vieregge

 

 

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