Wo verlaufen die Brandmauern? Offene Gesellschaft verteidigen, aber Übermaß beschädigt die Demokratie ebenfalls
326/Februar 2o25
Guten Tag,
unter Demokratiegesichtspunkten kann es nicht nur eine Brandmauer geben, sondern die Demokratie mit ihrem Konzept einer offenen Gesellschaft ist nach allen Seiten zu schützen:gegen rechte, linke und religiös argumentierende Demokratiefeinde.
Die Verfassungsväter und – Mütter des Grundgesetzes haben darauf gedrungen, dass die offene Gesellschaft sich nicht wehrlos ihren Feinden ausliefern soll, die unter Nutzung aller formalen Rechte den erreichten Demokratie-Standard zerstören. Nicht nur der Nationalsozialismus, sondern auch der Stalinismus nach dem Kriege in den Nachbarländern der Sowjetunion und zuletzt Putin im Umgang mit dem Erbe von Gorbatschow und Jelzin liefern Beispiele eines solchen Vorgehens. Im Fall von Putin erst formal einigermaßen korrekt, dann nach Eroberung der Schaltstellen nur noch machtbezogen und das von den beiden Vorgängern gesetzte zarte Pflänzchen Demokratie systematisch zertrampelnd.
Andererseits steht eine zu enge Definition von Demokratiefeinden im Gegensatz zum Konzept einer offenen Gesellschaft. Schlimmstenfalls wird Demokratie durch Übereifer beschädigt.Der Radikalenerlass ust ein Beispiel.
Nun liegt es nicht außerhalb jeder Fantasie, dass die Parteien das Argument der Demokratiefeindlichkeit ins Feld führen und dabei ihr Eigeninteresse hinter höheren Werten verstecken. Das erschwert die Bewertung jeder definierten und praktizierten Brandmauer. Was ist Parteien -Interesse, was ist Demokratie-Schutz?
Damit kein Missverständnis aufkommt: Das Verhalten der Parteien gegenüber der AfD ist legitim, auch wenn sie auf diesem Weg einen Konkurrenten niederhalten wollen. Auch Parteinteressen gehören zur Demokratie. Aber um der Glaubwürdigkeit willen sollten Parteinutzen und Demokratieschaden auseinandergehalten werden.
Es wäre wünschenswert, wenn bei der Diskussion um Brandmauern der Blick über Parteiinteressen hinausginge und wenn ins Bewusstsein käme, dass es nicht nur um die Brandmauer nach einer Seite geht.
Eine wehrhafte Demokratie braucht Bürger, die bereit sind, sich für sie einzusetzen. Es geht um Haltung. Sich unter die vermeintlich sicheren Schirme autoritärer Überzeugungen zu begeben, ist eine große Versuchung in schwierigen Zeiten. Religiöse wie säkulare Angebote können gefährlich sein. Die Versuchung kann von innen und von außen wachsen. Ohne bürgerschaftliches Engagement keine Zivilgesellschaft, ohne Zivilgesellschaft keine Demokratie!
Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge