Brief 14/2010: Das Dilemma der Egoisten – Ratschläge von Altgedienten – Eine Serie mit fünf Beiträgen
(5) Tröstungen (Schluß)

07 Okt
7. Oktober 2010

Man kann sich, meint eine Gesprächspartnerin, am eigenen Schopf ins neue Glück ziehen.

HvV: Bischof Wolfgang Huber klagt über die Selbst-Säkularisierung der Kirche. Hier würde man dann über die Selbst-Entberuflichung klagen.
LM: Genau. Das ich mich selber dazu verdamme, obwohl ich ja auch aus einem offiziellen Büro irgendwo ausziehen und am nächsten Tag mein Büro am eigenen Schreibtisch haben kann. Oder auch etwas ganz anderes.

HvV: Ich kann etwas anderes mit gleicher Intensität und mit gleichem professionellen Anspruch machen wie ich vorher als Angestellter?
LM: Ja. Ich muss mich nicht in einen Käfig sperren und die Tür zu machen und sagen. da flieg ich jetzt nie wieder aus.

Die Empfehlungen und die Hinweise auf Abwertung, gewissermaßen die Rückseite der Empfehlungen, enden hier. Sie können noch um eine Beobachtung ergänzt werden, die gleichermaßen tröstlich wie kritisch ist. Tröstlich, weil sie, mit dem Blick über Erwerbsarbeit und Engagement hinweg, besagt „Es ist nie zu spät“. Kritisch, weil als Erfahrung mitgeteilt wird: Männer tun sich um vieles schwerer als Frauen. Dabei stößt man auf ein Paradox. Der ausgeprägtere Egoismus macht ihnen das Leben schwer. Aber allein aus egoistischen Motiven müßten sie sozialer sein.

„Viele malen, und das machen sie auch bis ins Alter. Oder viele fangen an zu schreiben. Eine Frau hat mit 85 noch angefangen zu schreiben. Sie schreibt fast jedes Jahr ein Buch. Mit so etwas kann man immer noch anfangen, denn die Talente schlummern in uns. Man muß nur den Mut haben. Es ist auch interessant, daß es 90 Prozent Frauen sind, die so was bei uns machen, und nur 10 Prozent Männer. Und ich weiß nicht, warum bei Männern kein Interesse an klassischer Musikmeditation oder an Schreibkursen besteht. Frauen sind sozialer, kontaktfreudiger, kreativer.“

Man lebt länger, wenn man ein erfülltes Leben hat. Ich denke auch, daß Traurigkeit und negative Stimmungen einen runter ziehen. Und wenn man Kontakte pflegt, hat man immer den Austausch an Interessen, es gibt einem Freude. Ich glaube, daß egoistische Leute es in der Zukunft im Alter schwer haben. die haben dann wahrscheinlich auch weniger Freunde, Kontakte.“ (Eine Unternehmerin)

Was passiert, wenn nichts passiert, wenn man also nach dem Ausscheiden keine „fordernde Beschäftigung“ hat, wird in Variationen geschildert.

„Ich habe ein anderes Beispiel. Diesen Kollegen, der mich fragte, was soll ich mit meinen Akten machen, wenn ich ausscheide, der tut nichts als vier mal am Tag mit dem Hund gehen. Ansonsten hilft der seiner Frau, der berät die beim Einkaufen, beim Umgang mit dem Haushaltsgeld. Die liegen sich nur in der Wolle, seit der zu Hause ist. Das passiert nur dann, wenn man wirklich nichts anderes zu tun hat.“(Ein Banker)

Dieses Zitat ist zugegeben kein Trost. Es ist eine Warnung.

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Am 12. August erschien der Beitrag 1 mit den grundsätzlichen Empfehlungen,
am 26. August folgte Beitrag 2 mit den strategischen Empfehlungen,
ab 9. September konnten Sie die taktischen Ratschläge (Beitrag 3 der Serie) lesen und am 23. September folgten die Entmutigungsstrategien (Beitrag 4).
Ab 7. Oktober folgte der fünfte und letzte Beitrag „Tröstungen“

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