Brief 10/2010: „Es sind drei Karrieren“ – Ratschläge von Altgedienten – Eine Serie mit fünf Beiträgen
(1) Grundsätzliche Empfehlungen

12 Aug
12. August 2010

Keiner der einundzwanzig Manager, mit denen ich ausführlich über die Zeit nach der angestellten Vollbeschäftigung, ihre Erfahrungen und Pläne gesprochen habe, will sich zur Ruhe setzen. Aber es ist einfacher, das zu tun, als das nicht zu tun. Darüber berichte ich in einem Buch, das unter dem Arbeitstitel „PatchworkLife – Der Unruhestand der Altgedienten“ voraussichtlich im März 2011 erscheint.

Heute beginnt eine Serie mit den Empfehlungen dieser Gruppe. Sie richten sich vor allem an die nächste Managergeneration. Es ist Lebenspraxis von Persönlichkeiten, die im Beruf viel erreicht haben. Um wen es sich handelt, steht dann im Buch.

Ich unterscheide grundsätzliche, strategische und taktische Ratschläge. Die Ratschläge sind die Frucht von Erfolgen oder Enttäuschungen. Wer sich auf den Weg macht, muß mit Entmutigungen rechnen. Besonders wirksam ist die Selbstentmutigung.

Drei Fragen, die immer wieder gestellt werden, sind folgende:

Preisfrage Nummer 1: Kann man nach dem Ausscheiden aus der angestellten Vollbeschäftigung (oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt seines Lebens) ein neues Leben beginnen oder richtet man sich besser auf fortwährendes Verändern ein, das am Ende bruchlos ist?

„Es (das Leben- HvV) soll ja kein Bruch sein. Und darum ist es gut, daß jeder Mensch sein Leben von vornherein sinnvoll anlegt und immer ein Miteinander hat, eine gute Nachbarschaft lebt“

„Diese Vision hat unser Leben völlig verändert. Heute bewirtschaften wir einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in Mecklenburg.“

„Ich betrachte das Leben als lange Ausnahme, als Besuch. Und dann sagt man sich: wie gestalten wir denn den Besuch?“

Zweite Preisfrage: Kann man noch umlernen, zum Beispiel vom Bankmanager zum Corporate Social Responsibility Engagierten? Die Antwort eines Engagierten: Skepsis.

„Entweder hat sich das vorher schon herausgebildet, und der Mann oder die Frau hat sich in diese Richtung bereits entwickelt, oder aber es passt nicht zu ihm. Dass du einen 63jährigen noch mal neu ausrichten kannst von einer Kernkompetenz Bankbusiness in Richtung CSR, glaube ich nicht. Das ist eher ein fließender Prozess. Das müsste früher ansetzen.“

Preisfrage Nr. 3: Wie bleibt man fließend und offen?

Es ist die Crux von Preisfragen, dass die Antworten meistens nur Annäherungen sind, keine Rezepte, die automatisch zu mehr und vor allem durchgängiger Lebensqualität unter jeweils veränderten Rahmenbedingungen führen.

„Man muß einfach offen sein, wissen, woran man Freude hat, und dem, was kommt, ein bisschen nachgehen.“

Der Tipp, seinen Freundeskreis zu pflegen, ist öfters zu vernehmen. Aber wie soll das geschehen, wenn man der berufliche Auslastungsgrad über alle Maßen hoch ist? Eigentlich muß man, formuliert ein Gesprächspartner durchaus auch selbstkritisch, eine Doppelkarriere machen: eine berufliche und eine private.

„Man sagt zwar: Der hat eine gute Karriere gemacht. Dann ist aber nur die Berufskarriere gemeint. Meines Erachtens gehören auch eine Lebens- und eine Privatkarriere dazu. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man das nicht aus dem Auge verliert. Man braucht auch eine andere Karriere, und diese andere Karriere ist länger als die Berufskarriere. Die hört ja irgendwann mit 56 mit 63 oder mit 65 auf.“

Der gleiche Gedanke, anders formuliert (weiblich?) und um die Konsequenz von Zeitbegrenzungsmanagement im beruflichen Sektor verschärft:

„Ich glaube, daß ein Manager gerade heute aufpassen muß, daß er sich nicht von der Arbeit überfluten läßt, sondern einfach zwei Wege zum Leben hat. Zum einen seine Arbeit. Da muß er das Beste machen für seine Angestellten. Jeder kann an seinem Platz das tun, was den Menschen gut tut. Und dann muß er auch etwas für seine Seele tun. Er muß einfach sagen, ich arbeite nur bis 7 Uhr abends“

Als Arbeitgeberposition kennt man den Satz „Sie können tun und lassen, was Sie wollen, so lange Sie ihre Arbeit nicht vernachlässigen“. Hier die Umdrehung, formuliert als Lebenserfahrung:

„Das Entscheidende, was mir wichtig erschien, um Gottes Willen die privaten Kontakte nicht zu Lasten der Firma zu vernachlässigen! Das war das wichtigste. Ich hatte mal eine Phase, wo ich bei S. ausgeschieden war. Da waren es die Freunde, die einen auffingen.“

Zu starke Konzentration auf das Arbeiten im engsten Sinne kann zum Verkümmern der Talente führen. Was manche Unternehmen (beispielhaft DM mit seinem antroposophisch beeinflussten Gründer Götz Werner) mit Auszubildenden zur ganzheitlichen Förderung der menschlichen Fähigkeiten und Stärken betreibt, so eine obligatorische Theater AG, lassen Manager oft links liegen. Ein Fehler?

„In einem schlummern so viele Qualitäten und Fähigkeiten, die nicht aktiviert worden sind, und wenn man im Berufsleben sehr aktiv ist, noch weniger. Eigentlich geht es doch darum, dass wir – wie bei einer Harfe – jede Saite versuchen, anzuklingen, dann wird das Leben spannender.“

Eine Empfehlung, die in Variationen gegeben wird, lautet: Baue etwas auf, was dir wichtig ist und bleibe dran. Brich es nicht ab, weil du denkst, dass seist du deiner Arbeit und deinem Arbeitgeber schuldig. Denn was abgebrochen ist, kann man später nicht verstärken.

„Die eigenen Neigungen und Fähigkeiten pflegen und entwickeln. Möglichst rechtzeitig entwickeln. So sollte man die Kontakte im sozialen Bereich beizeiten pflegen und nicht abbrechen, damit man sie verstärken kann.“

Wer sich beruflich breit und vertrauensbildend aufstellt und das Private, die gesellschaftlichen Engagements und die Hobbies lebendig hält, der steigt mit Ideen und Kontakten aus. Besser, zum selbstbestimmten Zeitpunkt und besser früher. Genau besehen sind die Tipps für drei Karrieren gut: die aktuelle und die seniore Berufskarriere und, die Privatkarriere. Man muß die berufliche Karriere richtig anlegen, damit die beiden anderen gelingen, meinen die Altgedienten..

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Am 12. August erschien der Beitrag 1 mit den grundsätzlichen Empfehlungen,
am 26. August folgt Beitrag 2 mit den strategischen Empfehlungen,
ab 9. September können Sie die taktischen Ratschläge (Beitrag 3 der Serie)lesen und am 23. September folgen die Entmutigungsstrategien.(Beitrag 4) und ab 7. Oktober die Tröstungen (Beitrag 5)

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