Brief 11/2010: Vom richtigen Networking, notwendigen Rollenwechsel und nicht vom Adlon reden – Ratschläge von Altgedienten – Eine Serie mit fünf Beiträgen
(2) Strategische Empfehlungen
Was ist der Aufbau von Kontakten wert? Wie pflegt man sie? Hier wird zwischen formellen und persönlichen Kundenbeziehungen unterschieden und gesagt, erstere sind nichts, letztere viel wert. Beachtlich ist, dass solche Empfehlungen nicht ausgedachte Tipps von Trainern sind, sondern direkt aus der Erfahrung der Praxis kommen.
„Bei vielen habe ich gesehen, dass sie sehr stark berufsabhängig sind und hernach wie abgeschnitten sind und dann fällt man in einen leeren Raum. Man kann das verhindern, indem man gute persönliche Kundenbeziehungen aufbaut und nicht nur beschränkt auf das formelle Abarbeiten oder zu stark fokussiert auf den reinen Arbeitgeber. Die geschäftlichen Kontakte nützen einen kalten Kaffee, wenn sie nicht auch auf eine andere Ebene gehoben werden. Dann fängst du nämlich ganz von vorne an und du weißt nicht, wen du ansprechen sollst.“
Es geht freilich nicht nur um die Transformation von Kundenkontakten in der beschriebenen Form. Es zahlt sich auch das Verhalten als Vorgesetzter zu Mitarbeitern oder gegenüber Außenstehenden, die mit einem Anliegen kommen, aus. Arroganz rächt sich auch beim Manager. Wenn man sich vor Augen hält, wie oft gegen diese schlichte Empfehlung „Sei nicht arrogant, sei hilfsbereit“ verstossen wird, ein Verhalten, das einen wie ein Bumerang trifft, wenn die Deckung der Macht zerbröselt ist, dann kann man sich nur wundern. Je stärker die Karriere nach der Karriere Absicht wird, desto weniger zielführend ist solches Verhalten. Verhaltensregeln braucht man dann in den Unternehmen nicht mehr zu formulieren, sie werden schon aus ureigenem Interesse gelebt.
„Am schwierigsten ist es für die, die sich nie um ein Network gekümmert haben. Die waren vielleicht auf einer herausragenden Stelle, und haben keinen Brief beantwortet. Motto: das habe ich gar nicht nötig. Sie waren sich selbst vollkommen genug, weil sie so bedeutend waren, und haben jeden anderen spüren lassen, wie bedeutend sie sind. Diese Bedeutung geht ja irgendwann mal verloren. Dann haben sie es am aller schwersten. Weil sie sich nicht in der aktiven Zeit um Leute gekümmert haben, die eine Nummer kleiner waren. Und das sind jetzt vielleicht die, die mittlerweile eine Nummer größer geworden sind, Journalisten eingeschlossen. Einer sagte mal zu mir: du hast ja kein Problem, du hast dein ganzes Network. Ich antwortete, das ist ja nicht von alleine gekommen.“
Ein besonderes Beispiel: Ein Mitarbeiter empfiehlt in seinem neuen Unternehmen seinem früheren Chef.
„Hätte ich jenen Menschen früher als meinen Mitarbeiter schlecht behandelt, hätte der mich bestimmt nicht empfohlen. Ich finde es freilich nicht nur aus rationalen Gründen wichtig, mit den Menschen gut umzugehen, sondern das muss ein Grundprinzip sein“
Die nächste Empfehlung könnte manchen Leser erzürnen. Der Empfehlende schränkt seine Empfehlung, sich finanzielle Unabhängigkeit zu verschaffen, selber ein mit dem Hinweis auf günstige Umstände in seinem Fall. Das Argument wird durch die unterschiedliche Chancenverteilung nicht falsch.
„Was mir freilich am meisten geholfen hat: man sollte so rasch wie möglich finanzielle Unabhängigkeit erzielen. Wie man das macht. das ist egal, Sparen, sich um Anlagen kümmern usw., denn das schafft dir wirklich eine Ruhe gegenüber der Anstellung, dass du sagen kannst, ich kann auch morgen gehen. Man geht dann ganz anders ins Büro. Man muss wissen, das man notfalls selbst durchkommen kann. Das hat mir sehr geholfen. Natürlich habe ich auch sehr viel Glück gehabt, ich bin in eine tolle Phase gekommen, wo man keinen großen Riecher haben musste, um gutes Geld zu verdienen.“
Einen großen Raum der Empfehlungen beziehen sich auf die Frage, muß derjenige, die seine Berufskarriere fortsetzen will, nun eigentlich unverändert agieren? Die Antwort ist eindeutig: wenn er (immer auch respektve sie) unverändert agiert, ist er(sie) chancenlos.
„Und den S. hole ich gerne ins Team, weil ich weiß, er wird mir nicht erzählen, wie es richtig ist, sondern er hört zu, gibt Rat. Die Sechzigjährigen müssen aufpassen, daß sie nicht immer alles besser wissen.“
Es ist also die Bereitschaft zum Rollenwechsel vom Macher zum Empfehler, zum Coach.
HvV: Jemand hat gesagt, es wäre so schwer für ihn gewesen, die Sätze immer anzufangen mit “ich würde Ihnen raten.“ und nicht zu sagen: „Das machen wir jetzt so“.
Genau so ist! Das fällt mir auch schwer. Hier in der Company kann ich das sagen, aber selbst da muß ich anders sein. Aber das ist das, was ich meine. Man erzählt ja gern von alten Zeiten. Die Geschichten von früher will aber keiner hören.
HvV: Kann das jeder?
Und es ist nur ein Teil geeignet, aktiv etwas zu tun, weil sie sich einsortieren können dort, wo sie dann businessmäßig sind. Sie müssen die Hierarchie kennen, und sie müssen sich eigentlich noch ein bisschen unter Wert reingeben.
HvV: Kann man das lernen? Oder ist das eine Typfrage?
Beides. Es ist eine Typfrage, und diejenigen, die so nicht sind und nur so rumreden, die werden diese Jobs nicht behalten. Akzeptiert werden nur die, die lernen, sich zurückzuhalten, zuzuhören, denn sie sind – in aller Regel – nicht die Entscheider, die Entscheider sind die Jungen, die im Job befindlichen.
Es sind, wenn man die Antworten sorgfältig studiert, zwei Empfehlungen unüberhörbar, denen beiden nicht leicht zu folgen ist. Die erste ist die, sich auf die reine Ratgeberrolle zu beziehen.
„Ich glaube, es geht nicht gut mit Leuten, die schon lange im Business sind, wenn sie immerzu den Eindruck vermitteln, sie wissen grundsätzlich alles besser.“
Es ist nicht einfach, ein Nur-Ratgeber zu sein. Dabei geht es um mehr als nur die sprachliche Umstellung vom Befehl zum Ratschlag. Viele Vorgesetzte agieren wie Ratgeber. Sprachlich. Aber dabei müssen sie nicht die Bereitschaft zeigen, hinzunehmen, dass ihr guter Rat nicht befolgt wird. Das aber ist jetzt sehr wahrscheinlich geworden. Ein erfahrener Manager schildert seine Not mit dieser Lage.
„Manchmal beschleicht mich ein anderes Gefühl, wenn ich irgendwo Dinge sehen, wo ich meine, dass sie granatenhaft falsch gemacht werden, wo auch immer. Da möchte man gerne eingreifen, manchmal ergreife ich auch die Initiative, schreib eine Mail oder rufe mal an. Aber man merkt auch, ein Rat ist was wert. Aber ein Rat ist jetzt andererseits nicht so viel wert wie ein Rat mit der Durchsetzungskompetenz. Wenn man einen Rat gibt und die Leute wissen, das ist nur ein Ratgeber, aber nicht mehr einer, der im Zweifel auch machen kann, und wenn es nur in seinem Bereich ist, was ja auch Dinge irgendwo verändert in Branchen, dann wird der Rat auch nicht mehr mit soviel Gewicht genommen.“
Es ist der Verzicht auf Durchsetzungsmacht gefordert. Es ist die Bereitschaft , sich aufs voraussetzungslose Geben einzustellen. Kein Thema der Pensionsgrenze, sondern grundsätzlich oder doch des Rollenwechsels im Alter.
„Inhaltlich geben kann ich ein Leben lang. Das kann jeder Mensch. Jeder Mensch hat seine Talente und Begabungen, die verliert man nicht mit einer Pensionierung. . Man muß eigentlich anfangen, wenn man noch jünger ist, mit 50.“
Und es kommt eine zweiter dringliche Verzichtsempfehlung hinzu, wenn man den Verzicht auf das Erzählen alter Erfolgsstories gesondert rechnet, sogar eine dritte: Als Metapher der Verzicht aufs Adlon. Nun sind nicht alle Manager und schon gar nicht zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere im Berliner Adlon als angemessenem Übernachtungsort abgestiegen. Aber wie der Fall des Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke, der 2004 zurücktreten mußte, nachdem bekannt geworden war, dass die Dresdner Bank einen mehrtägigen Adlonaufenthalt Weltekes mit Anhang im Anschluß an einen Vortrag des Bundesbankpräsidenten bezahlt hatte, zeigte, wird in Deutschland kein anderes Hotel offenbar so der Spesenreiterei zugeordnet wie dieses.
„Der Berater darf eben ja nicht sagen, ich pflege immer im Hotel Adlon zu nächtigen, sondern der muss jetzt anders denken. Alle diese Alten, die sich anbieten, müssen sich in die aktuellen Strukturen reinbegeben. Wenn du in dein altes Unternehmen als Berater gehst und erzählst dann jedes mal, wie es vor 20 Jahren war, dann hält das der Nachfolger nicht lange aus. Und wenn du sagst, ich bin bereit, ins Drei-Sterne-Hotel zu gehen, aber normalerweise ist mein Standard das Adlon, das hält auch keiner aus. Das mögen die Leute nicht.“
Der durchgängige Tipp ist: bereit zu sein, kleinere Brötchen zu backen. Nun ist jeder verschiedene Größen gewohnt, aber die Richtung ist bei allen gleich. Diejenigen, die als Berater erst anfangen, richtig Geld zu verdienen, verglichen mit ihren vorherigen Einkünften, scheinen in einer Ausnahmesituation zu sein; von prominenten Ex-Politikern wird die behauptet. Im Normalfall ist das Gegenteil vermutlich richtig. Das Stichwort lautet: mehr Demut.
„Ich plädiere dafür, dass man das, was man macht, mit Demut macht. Man kann da nicht mit der Hotel-Adlon-Einstellung kommen: ich war aber früher wer usw. So darf man nicht an solche Themen rangehen. Erstens ist das lächerlich, und zweitens wird es nicht akzeptiert. Zu dieser Demut gehört auch das Wissen und die Akzeptanz, daß eigentlich alles eine befristete Aufgabe ist. Wer meint, er wählt mich jetzt in die Stiftung und nun hat er mich lebenslang an der Hacke, der würde mir diese Aufgabe nicht geben. Ich muß wissen, daß ich in die Stiftung komme, oder irgendwas mache, mit Geld oder ohne, und daß das nach einer Zeit beendet ist.“
Es kommt, wie dem obigen Zitat zu entnehmen ist, noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, den man von früher auch nicht kennt und zu akzeptieren lernen muß: mittlerweile ist in der Biographie das Ende näher gerückt.
Jede Aufgabe steht unter dem Verdikt ihrer Endlichkeit. Das gilt erst recht für spät übernommene. Die Zeiten, in den man so tun konnte, als sei das Leben ewig und die Jobs unbegrenzt, sind unwiderruflich vorbei. Diskutieren läßt sich mit einiger Plausibilität, ob –vom Öffentlichen Dienst abgesehen- nicht ohnehin die Positionen mit der Laufzeit bis Pensionsgrenze am Aussterben sind.
Eine Konsequenz der Empfehlung, sich bei bezahlten Aufgaben auf kleinere Brötchen einzustellen und Demut walten zu lassen, liegt auf der Hand: aus Häuptlingen werden Indianer.
„Je älter du bist ist, je näher an der Pensionärsgrenze, desto eher musst du andere Jobs machen. Du musst die Dinge selber machen, am Laptop sitzen usw. Wer diesen Schritt nicht kann, weder willentlich noch emotional, der verzweifelt.“
Das Tröstliche: es kann Spaß machen, eben so viel oder mehr. Aber nur jenem, der sich darauf einläßt.
„Wer nach der Pensionierung noch etwas tun will, muss frei sein im Kopf, auch Dinge anzunehmen, die dann durchaus auch Spaß machen können, aber nach Größenordnung, Qualität, Intensität, Ehre, Bezahlung sowieso, sehr anders sind als das was er vorher gemacht hat.“
„Die Problemstellung der neuen Aufgabe kann sogar sehr herausfordernd sein, aber das muss man erkennen“
Ob man aus der Überlegung, dass der Wechsel hilft beim Wechsel aus der vermutlich letzten Vollbeschäftigung, dazu führen kann, dass solche Wechsel aktiv angestrebt werden, muß bezweifelt werden. Der Hinweis, dass solche Wechsel dann auch nur eingeschränkt helfen, ist einleuchtend, ebenso wie die Einschätzung, dass man , um Wechselerfahrung zu bekommen, nicht unbedingt den Arbeitgeber verlassen muß. Mindestens in Konzernen ist Raum für viel Wechselerfahrung.
„Ich hatte zuvor Ähnliches erlebt, weil ich meine Funktion im Konzern häufig geändert habe Man macht ja sogenannte Karriere, da geht man auch von einem Unternehmen zum anderen, auch von einem Land zum anderen. Und da scheidet man auch immer irgendwo aus und es kommt jemand neu hinein. Aber die Situation ist doch eine andere, weil man aus einer Position heraus mit dementsprechenden Status in eine andere Situation mit dem entsprechenden Status wechselt.“
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Am 12. August erschien der Beitrag 1 mit den grundsätzlichen Empfehlungen,
am 26. August folgte Beitrag 2 mit den strategischen Empfehlungen,
ab 9. September können Sie die taktischen Ratschläge (Beitrag 3 der Serie) lesen und am 23. September folgen die Entmutigungsstrategien (Beitrag 4) und ab 7. Oktober die Tröstungen (Beitrag 5)