Aufbruch im Alter

15 Apr
15. April 2022

272/April 2022
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Guten Tag, wenn der obige Link funktioniert, dann führt er in ein pralles Heft katholischer Gemeinden zwischen Steinbach und Oberursel bei Frankfurt. Ein gutes Beispiel kirchlicher Kommunikation. Familie ist ein Beitrag zum Rahmenthema „Aufbruch“ dabei. Ostern und Aufbruch, das passt. Ich stelle den Text nachfolgend ein.
Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

P.S. Einen besonderen Ostergruß aus dem Sternberger Land möchte ich nicht vorenthalten.

Aufbruch im Alter
Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl sprach von der „Gnade der späten Geburt“. Damit meinte er alle Jahrgänge, die mit dem Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft und dem 2. Weltkrieg aus eigenem Erleben nichts zu tun hatten.
Man könnte den Begriff aber auch anders deuten. Gegenüber unseren Vorvätern, die um 1870 lebten, haben wir rund 45 Jahre Lebenszeit hinzugewonnen. Auch eine Gnade, aber was machen wir aus ihr?
Für die meisten von uns beginnt bewusstes Alter mit dem Ruhestand. Ein Begriff freilich, der von den Betroffenen inzwischen vielfach als unpassend empfunden wird. Übergangsweise wird von Unruhestand gesprochen. Denn die „fitten Alten“, wie sie oft genannt werden, haben noch Einiges vor. Ein Aufbruch in eine neue Lebensphase steht an.
Wie bei jedem Neuanfang ist Abschied vom Vorherigen zu nehmen. Man sollte die Schwierigkeit nicht unterschätzen, mit dem nun weitgehenden Wegfall von Erwerbsarbeit klarzukommen. Wer vorher über seine Arbeit gestöhnt hat, merkt nun, was sie ihm (oder ihr) gegeben hat: Struktur, soziale Kontakte, Anerkennung, Zufriedenheit (auch wenn man manchmal unzufrieden war). Manche wollen sich mit ihrer nun lebenslangen Arbeitslosigkeit nicht zufrieden geben und suchen sich einen Job, zumeist in Teilzeit. Das bringt auch noch zusätzliches Einkommen, denn für viele Menschen sind die finanziellen Einbußen im Alter beträchtlich. Andere, vor allem diejenigen, die finanziell besser dastehen, verstärken ihr ehrenamtliches Engagement. Kirchengemeinden, Sportvereine, musikalische Vereinigungen, sie alle können Freiwillige gebrauchen. Wer sich allerdings noch nie vorher für Dritte eingesetzt hat, tut gut daran, sich erst einmal in Ruhe umzuschauen, was für ihn (oder sie) wirklich passt. Auch hier gilt: Probieren geht über Studieren.
Manche kümmern sich mehr um ihre Familie, Enkel vorneweg. Andere bringen Wohnung und Garten in Ordnung, Dritte legen ihren Schwerpunkt auf alte Hobbys, die sie neu beleben. Meine Frau hat sich immer einen Hund gewünscht, nun ist er da, freundlich, zugewandt, eine Investition in gutes Leben, die aber mehr Zeit kostet als vordem gedacht.
Manche haben einen Plan, andere haben keinen. Beides kann richtig oder falsch sein. Wer einen Plan hat, muss die Fähigkeit behalten, vom Plan abzuweichen, wenn sich etwas Neues, Spannendes auftut. Wer keinen Plan hat, muss sich dennoch Gedanken machen, denn aus allen Zutaten entsteht ein neuer Lebensmix und dies in Selbstorganisation. Freiheit kann auch anstrengend sein. Wer die zusätzliche Lebenszeit aber verdaddelt, dem geht es wie dem Schwiegervater einer Freundin, der bei überwiegend guter Gesundheit über 100 wurde und sagte: „Hätte ich gewusst, wie alt ich werde, hätte ich mit meinem Leben im Alter viel mehr angefangen.“

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