Lothar Leonhard, „Arbeit geht durch Arbeit weg“
Blog 239 /August 2020
Guten Tag,
Lothar Leonhard ist gestorben. Er, langjähriger Chairman von Ogilvy, war Präsident vom Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA von 1996 bis 2002 und von 2011 bis 2013. Die ersten sechs Jahre seiner Dienstzeit war ich Geschäftsführer.
Auf Bitte eines Mediums der Branche habe ich einige persönliche Bemerkungen aufgeschrieben.
Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge
Als Agenturchef kannte ich Lothar Leonhard nur von den Besuchen in der Agentur. Das schöne Ogilvyrot, gemütliche Ledersessel, der weite Blick von Sachsenhausen auf Frankfurt Mitte zu: ich war gerne dort. Eine Aufforderung zur Plauderei über Wetter und Familie kam nicht. So redeten wir über Verbandsthemen nach vorbereiteter Agenda. Am Ende brachte mich der Agenturchef nicht lediglich zum Aufzug, sondern er fuhr mit mir herunter und verabschiedete mich an der Eingangstür. Diese Höflichkeit wurde mir zum Vorbild. Ein Satz von Leonard, nein eigentlich zwei, begleiten mein Leben. Der eine heißt: „Arbeit geht durch Arbeit weg.“ Ein scheinbar banaler Satz, aber so viel Wahrheit über diesen Mann, der sich vom Lehrling zum Chef hochgearbeitet hat und der es schaffte, über so viele Jahre seinen Sessel zu verteidigen. Gegen oben und gegen unten. Der bei Konflikten lieber telefonierte als schrieb. Der fragte, aber deine Meinung nicht kommentierte. Man wusste bei ihm nicht, was er verwenden würde und was nicht. Sein Understatement war sein Schutzpanzer. Gewann er einen Effie oder einen Etat, sagte er Sätze wie „Was man gewinnt, geht auch verloren.“ Verlor er, zeigte er keine Regung.
Unsere Beziehung war am Schluss zerrüttet. Ich habe nie erfahren, warum eigentlich. Eines Tages kam er in das Büro, da war er kein Präsident mehr und noch nicht wieder, und eröffnete mir, meine Zeit beim GWA sei vorbei, dafür werde er nun sorgen. Ich war enttäuscht, verblüfft und beeindruckt. Zu manchen früheren Vorständen hat sich hernach eine freundliche Beziehung, die immer mal wieder aktivierbar ist, entwickelt, zu Leonhard nicht. Seine Mischung aus Höflichkeit und Distanz ließ dies offenbar nicht zu.
Der zweite lebensbegleitende Satz lautet: „Penetrieren ja, penetrant nein.“ Darin steckte sein Erfolgsrezept, seine Präsenz in der Agentur, im Verband und in der Branche. Er tat gern, als sei seine Anwesenheit eher Zufall. Die Leichtigkeit, die Lothar Leonhard ausstrahlte, war gespielt und kostete ihn Kraft, davon bin ich überzeugt. Vielleicht am emotionalsten habe ich ihn erlebt, als er von einem Düsseldorfer Inhaber einer renommierten Agentur erzählte, den er beobachtet habe, wie der auf offener Straße einen Kunden beschimpft habe, weil dieser partout nicht so wollte, wie jener es sich vorstellte.“ Beneidenswert, das würde ich auch gerne mal tun“, schloss Leonard seine Geschichte. Nach meinem Wissen ist er immer höflich geblieben.