Gutenberg und Mainz: „Da muss mehr passieren“

06 Dez
6. Dezember 2018

Blog 191/ Dezember 2018

Guten Tag,

seitens der Gutenberg-Stiftung Mainz wurden mir Fragen gestellt. Die Kurzform des Interviews ist auf Facebook nachzulesen.
Hier die ausführliche Version.
Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge

Herr von Vieregge, erzählen Sie zuerst etwas von sich.

Ich habe erst Jura studiert und bin dann auf Politologie umgestiegen. Damals noch im friedlichen Bonn habe ich mich in der Studentenpolitik engagiert und mitbekommen, wie die sogenannte 68er-Generation tickt, obwohl ich selbst auf der gemäßigten Seite stand. Beruflich habe ich zwischen Lehre, Journalismus und Werbung geschwankt, bin schließlich aber durch Freunde aus der Studentenpolitik bei Verbänden gelandet. In dieser Zeit waren die Un-ternehmer verunsichert, als sie sich mit einer kommunistischen Entwicklung in Westeuropa konfrontiert sahen – und dann waren wir Politologen plötzlich gefragt, um ihnen die Welt zu erklären.
Die Arbeit bei den Verbänden wurde mit der Zeit aber etwas eintönig, vor allem die jährlichen Tarifauseinandersetzungen, und ich habe mit einigen Freunden in einer Studiengruppe an Projekten im Bereich Bildung gewirkt – z. B. die Förderung von Mädchen in technischen Be-rufen oder bessere Ausbildungen für junge Türken. Nachdem ich bei dieser Arbeit mein be-rufliches Potential ausgeschöpft sah, bin ich als Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Werbe- und Kommunikationsagenturen GWA tätig gewesen. Als ich dort ausgeschieden bin, habe ich mir überlegt: „Was machst du jetzt mit der Situation?“ Und so sind bis heute Bücher, eine CD und viele Vorträge entstanden.
Ich bin mit Dr. Angela Westerburg verheiratet, habe vier Kinder und sieben Enkel.

Aus der Bürgerinitiative Gutenberg sind Sie bereits bekannt – wo oder wie haben Sie sich bisher engagiert?

In der Wissenschaft wird gerne davon ausgegangen: Einmal engagiert, immer engagiert – und umgekehrt! Das erste mag stimmen – Ich zähle zu den Menschen, die schon immer nebenbei etwas getrieben haben: Von der Schülerzeitung und der studentischen Politik, dem Kirchenvorstand, dem Kirchentag, bis hin zur Mitarbeit bei der Aktion Gemeinsinn und der Stiftung Mitarbeit, bei beiden war ich auch in der Führung, und nun bei der Bürgerinitiative. Der Umkehrschluss stimmt dagegen nicht und das finde ich interessant. Man kann nämlich Leute auch in meinem Alter noch für öffentliches Engagement aktivieren. Und das hat sich gerade bei der Arbeit um das Thema Bibelturm bewahrheitet – viele, die vorher nichts Derartiges gemacht haben, haben sich entschlossen: ‚Bei dieser Sache mache ich jetzt mit!‘

Ich komme eigentlich aus dem Frankfurter Raum. In Mainz bin ich erst seit sechs, sieben Jahren und ich hatte durch meine Verpflichtungen andernorts längere Zeit das Gefühl, hier nicht so ganz angekommen zu sein. Als mir Freunde, die auch zu den Initiatoren der Aktion gehörten, von der Debatte um den Bibelturm erzählten, hat mich das direkt interessiert. Die Bürgerinitiative hat ein konkretes Ziel – die Modernisierung des Gutenberg-Museums, und als ersten spektakulären Schritt den Bau des Bibelturms – und wurde dabei von der Gutenberg Stiftung und der Architektenkammer unterstützt. Durch diesen Rückhalt wart es möglich, schon nach zwei Wochen Vorbereitung auf die Straße zu gehen und Initiative zu zeigen. Und das Tolle daran war: Wenn ab diesem Zeitpunkt jemand mitmachen wollte, konnten wir ihm oder ihr Flyer in die Hand drücken und sagen: ‚Hier, dann mach mit!‘ Keine komplizierten Agenden, Diskussionen und so weiter. Und genau das ist der Vorteil solcher Bürgerinitiativen gegenüber allen Institutionen oder Vereinen. Letztendlich bin ich zeitweise einer der beiden Sprecher der BI geworden.

Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, ein Freund Gutenbergs zu werden?

Zwischen BI und Freundeskreis bestehen für mich Unterschiede in der Aufgabenverteilung. Deswegen ist es wichtig, dass es beides gibt. Eine BI muss konfliktbereit sein und die Machthabenden beharken. Der Freundeskreis ist vor allem dazu da, Unterstützer, also Gleichgesinnte zu vereinen. Für mich war der Beitritt daher die logische Konsequenz. Denn es geht darum, Solidarität zu zeigen und zu üben. Aus dem Freundeskreis heraus kann man durch Aktionen mit der Bevölkerung kommunizieren und eine neue Wahrnehmung der Be-deutung Gutenbergs und des Museums für die Stadt anregen.
Von dem Geld, das nach dem Entscheid gegen den Turm übriggeblieben ist, werden nun ein paar Ertüchtigungen vorgenommen, z. B. der Brandschutz. An den eigentlichen Mängeln ändert sich sichtbar gar nichts. Da muss insgesamt größer gedacht werden und dazu kann der Freundeskreis einen Beitrag leisten.

Wie sehen Ihre Erwartungen aus, was sind Ihre Ziele für den Freundeskreis, die Stiftung und das Museum?

Der Nicht-Bau des Bibelturms ist ein starker Rückschlag – genau, wie die Befürworter vorausgesagt haben. Das Weltmuseum wird seinem Titel weniger gerecht als je zuvor. Wir brauchen eine starke, breite Trägerschaft und Sponsorenarbeit. Allerdings muss verhindert werden, dass Stadt und Land sich unter Verweis auf erstarkten Bürgersinn weiter aus der Verantwortung stehlen. Die Gutenberg-Stadt Mainz hat das Museum keineswegs oben auf ihrer Agenda, weder die Verantwortlichen noch die Bürger. Das wollen wir ändern, am besten zusammen mit den Verantwortlichen, vorneweg mit dem Oberbürgermeister. Es bedarf konkreter Analysen des ‚Ist‘- und ‚Soll‘-Zustands und einer klaren, neuen Konzeption des Museums im Vergleich mit anderen Weltmuseen. Und da besteht meines Erachtens eine große Kluft zwischen der Tragweite der Koryphäe Gutenberg und dem aktuellen Zustand seines Museums. An diesen Fragen kann der Freundeskreis mitarbeiten und die Ergebnisse werbend in die Mainzer Öffentlichkeit tragen.

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