Mit dem Abflauen der Pandemie kehrt die Hast zurück
Brief 254/Juli 2021
Guten Tag,
Mit dem Abflauen der Pandemie kehrt die Hast zurück. Zum zweiten Mal geimpft habe ich das Bedürfnis, mir die Haare schneiden zu lassen. Ich bewundere das Tempo, mit dem der Friseur ans Haarwerk ging.
„Wir sind zwar Ausländer, aber dies ist ein deutscher Laden“, sagt der Friseur
„Und was bedeutet das?“ frage ich
„20 Minuten“.
Ich verstehe nicht, der Marokkaner erklärt:
„Ein deutscher Mann will nicht länger als zwanzig Minuten beim Haare schneiden zubringen.“
20 Minuten? Mir fällt ein, dass ich von dieser Zeiteinheit schon einmal gehört habe. Ich erzähle die Geschichte dem Friseur und die geht so.
Es war in Kenia, im Massaigebiet, am Rande zum Schutzgebiet. Walter, Brigitte und ich saßen im Jeep auf der Suche nach Löwen. Aus dem halbhohen Gras tauchte eine Gruppe von Massais auf. Sie boten ihre Dienste an. Wir einigten uns mit dem Chef und mein Freund fragte ihn, wie lange es dauert, bis er uns Löwen zeigen könne.“Twenty Minutes“, sagte der Massai. Wir fuhren ein Stück, unser Führer hatte sie als erste gesehen. Keine Löwen, sondern Touristen Autos, zumeist Jeeps, 3, 4 Stück, im Stillstand. Jeder erfahrene Safari Tourist weiß, das bedeutet, da ist was zu sehen. In der Tat: Es war eine Löwengruppe, die sich zufrieden und gesättigt hinter den Resten eines Gnus gruppiert hatte. Hyänen in Sichtweite lauernd, auch Geier waren im Anflug. Kurzum: ein großartiges Erlebnis. Unser Führer wurde entlohnt und befragt:
– How did you know that we would find lions within twenty minutes?“
– I didn’t know.
– But you promised 20 minutes.
– That’s what the tourists want to hear.
In Kenia rufen die Einheimischen den Touristen „Pole, pole“ zu und lachen. Das heißt „langsam, langsam“. Sie sollten besser auf den marrokanischen Friseur oder ihren Massai-Landsmann hören. „Ready in latest 20 minutes“ wäre der touristentauglichere Spruch, eine Maßeinheit der Eile, die nicht nur bei Urlaubsreisen gilt.
Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge