Mainzer Rathaus: Falsches Haus am falschen Ort oder Rettet das Gesamtkunstwerk!
Blog 164, Dezember 2017
Guten Tag, soll man es Pech oder Glück nennen, dass die Stadt Mainz zwar schon lange einen Dom, aber nie ein Rathaus hatte? So gab es weder, was den Ort, noch was die Gestaltung anging, ein Vorbild, als man in den sechziger Jahren beschloss, sich nun doch ein Rathaus zulegen zu wollen. Man wählte nicht die Stadtmitte, nicht die Nähe zum Dom, kein historisches Gebäude, von denen durchaus einige den zweiten Weltkrieg überlebt hatten, sondern entschied sich für einen Platz am Rhein jenseits einer viel befahrenen Ausfahrtsstraße. Dann sollte es kein Traditionsbau sein, aber auch kein Langweiler der Modernität, wie es etliche in der Stadt gibt. Am Ende entstand zwischen 68 und 70 ein Rathaus, das Anhänger der modernen Architektur ein Gesamtkunstwerk nennen und Kritiker, die in Mainz die Majorität bilden, ein falsches Haus am falschen Ort.
Nun, nach gut 40 Jahren, ist das Haus so marode, dass eine teure Totalsanierung – aufgerufen sind 60 Millionen Euro – her soll. Marode schon nach 40 Jahren? Architekturkritiker Dankwart Guratzsch , dem das Haus gar nicht gefällt, erinnert an die Bauhausler, die die Auffassung vertraten, Häuser sollten nach diesem Zeitraum durch andere ersetzt werden. Wenn dem so wäre, hätten die verantwortlichen Politiker dazu einen bedeutenden Beitrag geliefert, in dem sie das Haus durch verachtungsvolle Nicht-Pflege in die vorzeitige Klapperigkeit geschickt haben. Sogar Originalstühle und Originallampen des Erbauers, Arne Jacobsen, wurden noch vor wenigen Jahren per eBay vertickt.
Das Haus selbst ist für die Beschäftigten eine Zumutung und für Bürger bei jedem Besuch eine Einübung in Obrigkeit. Ein Idealbau für geduckte Menschen, von außen und von innen. Aber das durchaus eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Nicht wenige Bürger plädieren für einen anderen Standort. Wer für das Haus ist, möchte nur unauffällige Veränderungen, alles andere sei Eingriff in das Gesamtkunstwerk. So der Denkmalschutz und so die Süddeutsche Zeitung vom 28.11.2017 unter der Überschrift „Bürgernaher Blödsinn“.Dass jede Generation das Recht und die Pflicht zur Weiterentwicklung auch von hochwertiger Architektur haben könnte, kommt bei der Puristen- Position nicht in den Sinn.
Was die Stadtführung will? Leitmotiv ist: Bloß keine Verantwortung für irgendwas. OB Ebeling (SPD) will die Bürger befragen. Alternativlos und mit der Drohung, wenn sie nicht Ja sagen, wird es noch teurer.
Ich habe in einem Leserbrief, den die FAZ abdruckte, geschrieben, was eine zeitgemäße Entwicklung des Mainzer Rathauses bedeuten könnte. So würde aus einem Rathaus-Käfig ein Bürger-Rathaus und bliebe immer noch ein Jacobsen-Bau.
2017 Leserbrief Rathaus
Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge