Aufbruch ist machbar, bei Rotary und anderswo

08 Okt
8. Oktober 2021

Brief 260/Oktober

Guten Tag,

für das Rotary Online Magazin habe ich aktuell einen Beitrag geschrieben, der auch für Vereine, NGOs, Kirchengemeinden anwendbar ist. Ich tütze mich dabei auf Gespräche mit Kmmunikationsprofis über Kirche,über die ich in zwei Beiträgen „Die Kirche auf dem Weg in die Zivilgesellschaft“ veröffenlicht habe.Die Beiträge sind frei verfügbar bei www.opuscula.maecenata.eu als Nr.131 und 132

Aufbruch ist ein großes Wort. Gefordert oder versprochen wird, vor allem gerne vonseiten der Politik, eine Rundumerneuerung in personeller und programmatischer Hinsicht.

Aber was spricht eigentlich gegen viele kleine Aufbrüche, und zwar gerade auch dann, wenn die Dinge eigentlich gut laufen? Sind Aufbrüche in guten Zeiten nicht aussichtsreicher als in schlechten? Die Gefahr, zu überziehen und Aufhebenswertes gleich mit zu entsorgen, ist in diesen Fällen geringer. Es geht um Inhalt und Kommunikation. Beides spielt ineinander. Es wäre falsch, erst den Inhalt und dann die Kommunikation planen zu wollen. Meine folgenden Hinweise beruhen auf Gesprächen mit Kommunikationsfachleuten.
• Vor Jahren hieß es in der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN ): „Protestantisch aus gutem Grund“. Als sich Repräsentanten der Kirche am Rande eines Gesprächs beider Konfessionen mit Wirtschaftsvertretern für diese Aktion halb entschuldigen wollten, beruhigte sie Karl Kardinal Lehmann sinngemäß mit den Worten: Es ist gut, wenn Sie wissen, wer sie sind, denn dann kommen wir viel leichter miteinander klar. Gleiches gilt für Rotary im Umgang mit Externen.
• Wer bei der Kommunikation neu ansetzen will, das gilt natürlich auch auf Clubebene, sollte vorab überlegen: Aufbruch braucht einen Aufhänger: Warum gerade jetzt? Beliebt sind Jubiläen, und die lassen sich fast immer finden, direkt in der Clubgeschichte, am handelnden Personal oder bei einem Thema, das neu aufgegriffen wird. Man kann sich auch an Jubiläen beispielsweise der Ortsgemeinde anhängen. Dann steht man mit seinen Beiträgen nicht im Mittelpunkt, aber die ergänzende Berücksichtigung in einem größeren thematischen Kontext kann die eigene Sache aufwerten.
• Weiterhin ist es unerlässlich, bei jeder Kommunikation nachzudenken, was die Hauptbotschaft ist. Das gilt sowohl für Unternehmen, wie in der Politik. Vielfache Wiederholungen sind dabei unerlässlich ist. Ein Werbefachmann formulierte dies so: „Penetrieren, ohne penetrant zu sein.“ Wenn man als Absender das Gefühl hat, die eigene Botschaft nicht mehr hören zu können, könnte es sein, dass sie gerade ihren Weg zum gewünschten Empfänger gefunden hat. Jeder von uns hat angesichts der Flut von Ansprachen, die uns täglich zu erreichen suchen, die Fähigkeit entwickelt, abzuschalten, die Botschaft nicht an sich heranzulassen. Es ist wie in einer mittelalterlichen Stadt mit hohen Mauern: die einen wollen rein, die anderen wollen das verhindern. In diesem Fall geht es ums Reinkommen.
• Wer einen Aufbruch formuliert, muss thematisch sattelfest sein. Was heißt das? Um Aufmerksamkeit zu erzielen, muss etwas geboten werden. In der Vorbereitung ist es ratsam, sich in die Position der ärgsten Kritiker zu versetzen, auch derjenigen, die von innen heraus agieren: „Was soll der Quatsch?“ Nur wenn man auf die schwierigsten Fragen eine überzeugende Antwort hat, kann man loslegen. Dazu gehört auch die Wunschüberschrift in der Berichterstattung, sie strukturiert die Botschaft. Die Wirklichkeit wird dann weniger herausfordernd sein.
• Obwohl sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass Print nicht mehr das Maß der Dinge ist, wird immer noch zugetan , als ob sich der Aufbruch mindestens in der Lokalzeitung vierspaltig wiederfinden muss. Richtig an dieser Überlegung ist, dass zu einem überzeugenden Aufbruch ein Erfolgsmaßstab gehört Was soll mit welchen Mitteln in welcher Zeit erreicht werden?
• Unerlässlich, dabei oft vernachlässigt, ist die starke visuelle Idee. Ein Symbolbild kann den entscheidenden kommunikativen Erfolg bringen.
• Wir wissen aus allen Medien-Untersuchungen, dass Kommunikation, die vor allen anderen Medienwegen überzeugt, die Eins-zu-Eins-Kommunikation ist. Also das direkte Gespräch. Alle anderen Medien können auf dieses Gespräch vorbereiten und den Gesprächsinhalt, zum Beispiel eine neue Sicht der Dinge, die Bereitschaft etwas in eine bestimmte Richtung neu anzufangen usw., stabilisieren.
• Ein weiterer Erfolgsgarant ist der Weg über Dritte, die Bekanntheit und Vertrauen genießen.
• Ein Aufbruch wird nicht im stillen Kämmerlein konzipiert, sondern mit Vertrauten, kreativen und kritischen Geistern. Man kann sich vom Clubvorstand den Auftrag geben lassen und dann Teambildung innerhalb und außerhalb des Clubs betreiben. Ein Ratschlag: Die Erfahrung mit meinen Gesprächen mit Kommunikations-Profis war eindeutig. Sie wären ansprechbar. Sie wären bereit, für ein Projekt zur Verfügung zu stehen und dies, solange es um Gesprächsberatung geht, sicherlich pro bono. Ein Blick in unsere Mitgliederverzeichnisse zeigt, dass wir genug Kommunikationsprofis in unseren Reihen haben. Sie müssen ja nicht im eigenen Club Mitglied sein.
• Wenn das Konzept steht, ist die Frage, wer außer den Hauptverantwortlichen trägt es mit in die Öffentlichkeit? Auch hier könnten andere als die üblichen Verdächtigen zum Zuge kommen. Wichtig wäre ein Smalltalk-Training. Wer in 30 Sekunden bei seinem Gesprächspartner Aufmerksamkeit für das Thema erreichen kann, hat gewonnen. Das muss man aber üben. Aufbruch mit nur einer Person bringt zu wenig.
• Ein gutes Gespräch sollte bewusst außerhalb des üblichen Rahmens stattfinden. Wenn ich den Anderen zum Gespräch aufsuche, begebe ich mich aus der Sicherheit meiner Umgebung. So schaffe ich Vertrauen. Ein Aufbruch, der etwas bringen soll, ist also ein Aufbruch über die eigenen Grenzen hinaus.
• Angela Merkel wird nachgesagt, sie habe zu wirren Bündnissen geraten. Das soll wohl heißen, dass man sich bei seinem Tun mit Menschen und Institutionen verbindet, die von Dritten nicht als natürliche Verbündete angesehen werden. Das schützt vor Fehlern und erweitert die Wirkung.
• Ein berühmter Vertreter der Kommunikationsbranche hat bei seinen Vorträgen stets eine Frage auf die Flipcharts geschrieben. Es war immer die gleiche. Sie lautet:“What’s in for me?“ Soll heißen: Wer nur Erfolg für sich einplant, plant zu kurz. Frage dich, was der Andere von deinem Aufbruch hat.
• Wenn du eine Antwort hast, kannst du starten. Erst dann. Aber dann furchtlos. Selbst ein Scheitern wird euch weiterbringen.

Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge

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