Brief Nr. 2/2009: Vom Kirchentag kann man lernen
Vom Erfinder des Kirchentages, Reinold von Thadden, zitierte sie den Satz „Die Laien sind das eingefrorene Kapital der Kirche, das der Kirchentag beizeiten auftaut“. Ellen Ueberschär, die Generalsekretärin des Kirchentags, erinnerte in ihrer Gastpredigt im Rahmen der Reihe „Neue Reformation“ am 6. Dezember in der Eschborn-Niederhöchstädter Andreasgemeinde an das wichtigste Charakteristikum des Kirchentages: eine Laienbewegung zu sein.
Es war das zentrale Anliegen der Generalsekretärin, der unter Kirchenaktiven nicht selten vertretenen Ansicht mit Verve zu widersprechen, wonach dem Kirchentag gelinge, was in den Gemeinden misslinge. Um im Bild Thaddens zu bleiben: Der Kirchentag taut auf, die Gemeindepraxis friert wieder ein. Nein, sagte Ellen Ueberschär, so ist das nicht. Es gebe mittlerweile viele lebendige Kirchengemeinden wie die Andreasgemeinde und der Gegensatz Kirchentag/Kirchengemeinde sei unproduktiv.
Das war eine durchaus sympathische Botschaft einer starken Persönlichkeit, wie sie die Generalsekretärin nun mal ist. Allerdings ist gegen zu halten. Was den Kirchentag auszeichnet, ist nicht, dass man die Laien beteiligt, sondern dass es die Laien sind, die den Takt angeben, und die Hauptamtlichen (das Team um die Generalsekretärin in Fulda) setzt um. Nur dort, wo so gehandelt wird, gewinnt das Engagement der Laien, oder sagen wir doch: der aktiven Kirchenbürger, an Qualität und Quantität. Tausende Freiwillige engagieren sich bei den Kirchentagen, vom Präsidenten bis zum Essensausgeber.
Es ist also kein einfacher Schritt, das Modell Kirchentag auf Kirchengemeinden zu übertragen. Aber ist er nicht notwendig? Und auf andere Organisationen, auf alle, die auf freiwillige Mitarbeit angewiesen sind, auch? Ein hilfreicher Zwischenschritt auf diesem radikalen Weg ist die Bürgerakademie. Sie hat eine erfolgreich erprobte Methode entwickelt, wie Menschen, die sich freiwillig und ehrenamtlich für Andere einsetzen, von einander lernen und sich vor allem den Rücken stärken können. Die ersten 20 Frankfurter Bürgerakademiker wurden Mitte November 2009 entlassen, der zweite Durchgang startet im Frühjahr. Die Idee sollte in vielen Gemeinden Schule machen.
Worum geht es? Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft hatte zusammen mit 24 Frankfurter Ehrenamtsorganisationen die Teilnehmer für ein einjähriges Fortbildungsprogramms ausgesucht. Die Teilnehmer waren 25 und 72 Jahre alt und gehören in ihren Organisationen zu den Hoffnungsträgern. Sie sind beispielsweise in einer der Kirchen aktiv, haben die Schachabteilung eines großen Sportvereins aufgebaut oder leiten die Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr in einem Stadtteil, engagieren sich in einem Hospizverein oder in der Deutschen Jugend aus Russland. Auch die Serviceclubs Rotary und Lions sind mit von der Partie.
Die „Bürgerakademiker“ haben nach einem Jahr intensiver Weiterbildung und vor allem Zusammenarbeit viel gelernt. Sie wollen in Frankfurter Schulen gemeinsam die Vorteile eines Engagements für die, der mitmachen, präsentieren. Die Engagementlandschaft in Deutschland würde sich durch 1,2,3, viele Bürgerakademie positiv verändern, Viel mehr Bürger würden viel mehr tun, wenn sie wüssten, es bringt etwas. Für sie selber und den Nachbarn. Vereine, Kirchen, andere Organisationen, die mehr freiwillige Unterstützung suchen, sollten sich zusammen tun. Und die Hauptamtlichen sollten weiter umlernen, wie sie von Machern zu Ermöglichern werden. Kirchentag und Frankfurter Bürgerakademie sind Vorbilder.