„Reisemanagement“ Verband für Geschäftsreisende

06 Dez
6. Dezember 2023

306/Dezember 2023
Guten Tag
„Man sollte seinen Tag anders planen als zu sagen, ich muss meinen Berg abgear­beitet haben, bevor ich nach Hause gehe.“ Das sagt Hans-Ingo Biehl am Ende seines langen Berufslebens als Geschäftsführer. Es ist schon so: Wer altersbedingt ausscheidet, weiß zu diesem Zeitpunkt am meisten über seinen Verband und die spezielle Rolle des Hauptamtlichen darin. Eigentlich ist es der falsche Zeitpunkt, um zu gehen. Andererseits ist dies der Lauf der Dinge. Und es ist ein guter Moment für ein Gespräch. Zumal der Verband, den Hans-Ingo Biehl zwei Jahrzehnte geführt hat, auch innerhalb der Verbandswelt nicht jedem geläufig sein dürfte: Verband Deutsches Reisemanagement e. V. (VDR). Was die tun? Ich habe dazu für den VerbändeReport (5/23) den scheidenden Geschäftsführer gefragt. Ein lesenswerter Text
Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

Verbändereport: Die Institution, die Sie vertreten, heißt Verband Deutsches Reisemanagement, Sie sagen auch Deutschlands Geschäftsreiseverband, größtes Netzwerk für geschäftliche Mobilität. Gibt es noch andere?

Hans-Ingo Biehl: Nein, im Prinzip nicht! Wir sind der Einzige, aber der Name Verband Deutsches Reisemanagement impliziert nicht direkt das Thema, mit dem wir uns befassen, nämlich nur mit Geschäftsreisen. Wenn ich in meinem Freundeskreis davon berichte, dann fragt mich der ein oder andere: Seid ihr ein Reisebüro oder vertretet ihr die Reisebüros? Das ist beides nicht der Fall. Wir sind die Interessenvertretung der Nachfragerseite, also der deutschen Wirtschaftsunternehmen, deren Mitarbeiter Geschäftsreisen durchführen. Wir sorgen für Rahmenbedingungen, damit die Reise nach gewissen Richtlinien so stattfindet, wie sich das Unternehmen das vorstellt.

Richtlinien?

Es gibt sogenannte Reiserichtlinien in den Unternehmen. Den VDR gibt es schon seit 1974 – wir werden nächstes Jahr 50 Jahre alt. Er ist gegründet worden als Verband der Reisestellenleiter in Industrie und Handel. Das gibt schon einen kleinen Hinweis: Reisestelle hieß es früher, den Begriff verwendet man heute nicht mehr. Man spricht jetzt neudeutsch vom Travel Management oder sogar Mobilitätsmanagement. Mit dem Thema Mobilität allgemein befassen sich mehrere Verbände. Wir konzentrieren uns auf die geschäftliche Mobilität, also all das, was durch das Unternehmen bedingt zum Reisen der Mitarbeiter gehört.

Wo ist denn dieses Interesse vorher platziert gewesen?

Es war, wie so oft bei Verbänden und Vereinen: Die gründen sich, weil es eben noch kein Netzwerk oder keinen Austausch mit Gleichgesinnten gibt. Damals haben sich acht Reisestellenleiter, die sich kannten, zusammengetan. Sie sahen den absoluten Bedarf, sich auszutauschen über die Themen und Herausforderungen von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter auf Reisen schicken. So ist der Verein gegründet worden.

Etwas später wurde die Mitgliedschaft auf Firmenmitgliedschaft umgestellt. Heute hat der Verband über 600 Mitglieder, ordentliche und außerordentliche. Was ist der Unterschied?

Der Verband basiert auf zwei Säulen: Ordentliche Mitglieder sind nachfragende Unternehmen der geschäftlichen Mobilität. Außerordentliche Mitglieder sind die Anbieter, also diejenigen, die im Bereich „Geschäftsreise“ zu Hause sind. Dazu zählen zum Beispiel Transportunternehmen wie Fluggesellschaften, Bahn, Hotelgesellschaften, Mietwagenfirmen, aber auch Dienstleister, die

technologische Lösungen anbieten, um die Geschäftsreiseprozesse in den Unternehmen zu ermöglichen. Sie alle können Mitglied bei uns werden.

Beide, ordentliche wie außerordentliche Mitglieder, haben die gleichen Wahlrechte und Pflichten, aber wie sieht es mit der politischen Vertretung aus?

Die Interessenvertretung des Verbandes bezieht sich auf die Nachfrager. Da vertreten wir nicht die außerordentlichen Mitglieder.

Wie sind die Mitglieder in der Führung vertreten?

Der Verband ist über viele Jahre von einem Präsidium ehrenamtlich geführt worden. Das waren sechs Personen, zwei außerordentliche und vier ordentliche. Auf dieses Verhältnis mit einem Überhang an ordentlichen Mitgliedern hat die Verbandsführung immer Wert gelegt. Das Verhältnis von ordentlich zu außerordentlich sollte zwei Drittel nie unterschreiten. Heute sind wir ehrlich gesagt bei 60 zu 40, also 60 Prozent ordentliche Mitglieder und 40 Prozent Nachfrager.

Wann kamen hauptamtliche Mitarbeiter hinzu?

Ich bin 2002 als GmbH-Geschäftsführer zum Verband gekommen. Professionelle Strukturen hatte der Verband schon eher, weil er drei Jahre zuvor für die Weiterbildung eine eigene Akademie als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gegründet hat. Der Verband hat 2008 meine jetzige hauptamtliche Position beschlossen, um dem ehrenamtlichen Präsidium Unterstützung und auch Entlastung zu geben.

Das heißt, Sie sind der bisher einzige Geschäftsführer des Verbandes.

Ja, der erste und einzige im Verband, das stimmt. Die Service GmbH hatte schon mehrere Geschäftsführer.

Ein interessantes Tätigkeitsfeld für jeden Verband ist die Zertifizierung. Sie zertifizieren den „Travel Manager“.

„Travel Manager“ ist kein Beruf, den man lernen kann. Es gibt sehr viele Quereinsteiger oder Kollegen und Kolleginnen mit dem beruflichen Hintergrund „Reisebüro“. Der Travel Manager macht allerdings andere Dinge, als eine Reise zu buchen. Er übernimmt zum Beispiel die strategische Planung des Travel Managements, wie auch das Aufsetzen von Reiserichtlinien und die Vernetzung mit anderen Abteilungen wie der Sicherheitsabteilung oder der Personalabteilung. Das war letztendlich der Grund, warum der Verband eine solide Basis für die Kolleginnen und Kollegen realisieren wollte. Wir bieten Weiterbildung an und lassen die auch zertifizieren.

Bis heute?

Am Anfang war das allein unser Zertifikat. Aber die Wertigkeit ist deutlich höher, wenn sich z. B. eine Hochschule beteiligt. Deswegen haben wir auch sehr bald mit der Hochschule Worms zusammengearbeitet, die unser Partner geworden ist. Diese Hochschule ist eine der wenigen, wenn nicht sogar die einzige, die sich dem Thema Business Travel Management eingehend widmet und einen eigenen Studiengang oder Spezialisierungsgrad hat.

Die Tätigkeit Travel Manager ist mittlerweile erlernbar. Erstens kann man ihn studieren, zweitens kann man sich später zertifizieren lassen, drittens kann man auch im Ausbildungsberuf Tourismuskaufmann/-frau mittlerweile einiges über Travel Management erfahren. Der vierte Weg wäre immer noch der Quereinstieg. Sehe ich das richtig?

Genau! Es gibt noch einen MBA an der Hochschule Worms, den man ergänzend absolvieren kann, wenn man schon eine gewisse Berufserfahrung mitbringt. Das Berufsbild ändert sich natürlich, so wie sich auch der Job im Laufe der Jahre ändert. Die Verantwortlichkeiten werden breiter – ich habe vorher schon das Stichwort Mobilität genannt. Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz vom Reisebeginn, idealerweise zu Hause, bis hin zum Zielort.

Sie haben beim VDR eine zweite Zertifizierungslinie, die beispielsweise Hotels betrifft.

Ja, dieses Projekt haben wir auch ins Leben gerufen. Warum Hotelzertifizierung? Weil wir den Reisenden eine Orientierung geben wollten, die sich nicht nach der Sternekategorie richtet, die von der Hotellerie selbst kommt, sondern nach Nachfragegesichtspunkten. Deswegen haben wir ein Gremium gebildet, das sich detaillierte Kriterien überlegt hat: Was ist denn wichtig für einen Geschäftsreisenden, wenn er übernachtet? Kleiner Schreibtisch mit Lampe, Hygiene, Matratzen, Schlafqualität usw. Auch Nachhaltigkeit kam in den letzten Jahren als wichtiges Kriterium hinzu. Ein zweites Feld sind die Zertifizierungen für Konferenzhotels: für Verbände hochinteressant.

Sie haben diesen Teil des Geschäfts abgegeben?

Ja, weil uns immer wichtig war, was wir an Rückmeldung aus der Mitgliedschaft bekommen haben. Die haben irgendwann mal gesagt: Das ist alles gut und schön, aber konzentriert euch doch auf andere Dinge. Deswegen haben wir uns da ein Stück weit rausgezogen. Aber es gibt weiterhin Zertifizierungen. Die sind heute rund um das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig geworden.

Sie sprachen die Rückmeldung durch die Mitglieder an. Seit 2005 lassen Sie eine Zufriedenheitsanalyse bei den Mitgliedern durchführen.

Da wird unser Angebotsportfolio hinterfragt. Wir gucken, welche Arbeitskreise sind besonders willkommen. Wir haben für alle Bereiche im Geschäftsreiseprozess Arbeitsgruppen, die sich aus Mitgliedern rekrutieren. Das ist ein bisschen das Herz des Verbandes. So wollen wir unsere Mitglieder aktivieren, an den Dingen mitzuarbeiten. Das Hauptamt kann unterstützen, wir sind da für unsere Mitglieder. Aber letztendlich kommt das Know-how aus der Mitgliedschaft.

Die Erfahrung lehrt, dass der Prozentsatz von Aktiven unterschiedlich hoch ist, aber hundert Prozent schafft niemand.

Es gibt natürlich viele, die ihren Mitgliedsbeitrag zahlen, aber die Dienstleistungen und das Netzwerk gar nicht so sehr nutzen. Sie sind aber trotzdem sehr zufrieden mit ihrer Mitgliedschaft. Das kommt bei der Befragung auch heraus. Wir haben immer versucht, unsere Mitgliedschaft zu aktivieren, und zwar nicht nur auf den großen Veranstaltungen, wo man sich trifft und austauscht. Uns geht es auch unterjährig um Zusammenarbeit – quasi von Mitgliedern für Mitglieder. Dabei sollen Aufgabenstellungen bearbeitet und dann auch BestPractice-Lösungen gefunden werden.

Wobei eine Nichtinanspruchnahme der Möglichkeiten des Verbandes auch ein Alarmsignal sein kann, als Beginn einer Cooling-out-Phase.

Ja, auch deswegen machen wir diese Umfrage regelmäßig, um zu verhindern, dass jemand schleichend austritt. Wir haben im Verband eine gewisse Fluktuation, aber es gab im Prinzip über die Jahre hinweg keinen Rückgang, sondern einen Austausch. Viele Firmen schließen sich zusammen, was zur Konsequenz hat, dass manche Mitgliedschaften sich verändern. Aber wir bekommen regelmäßig frischen Input in den Verband durch neue Mitgliedschaften. Der Mittelstand in Deutschland ist ein breites Feld. Wir sind natürlich noch lange nicht da, wo wir hinwollen mit der Zahl unserer Mitgliedschaften. Wir haben zwar fast alle großen DAX-Konzerne, aber wir wollen natürlich noch intensiver an den Mittelstand ran.

Was bringt dem Verband die Analyse der Geschäftsreisezahlen seiner Mitglieder?

Jeder Verband braucht zum Erfolg seiner politischen Arbeit breite Aufmerksamkeit. Deswegen haben wir nach intensiver Diskussion beschlossen: Wir brauchen ein repräsentatives Bild der Branche – unter Einbezug der Nichtmitglieder. 54 Milliarden Euro betrug demnach im Jahr 2019 das Geschäftsreisevolumen in Deutschland von Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern. Wir erfragen aber nicht nur die harten Zahlen, sondern auch Trends. Inzwischen ist die jährliche VDR-Geschäftsreiseanalyse ein Standardwerk geworden.

Und mit den Ergebnissen bestreiten Sie ein Pressegespräch?

Ja, das wird jährlich durchgeführt, meistens im zweiten Quartal.

Damit werden Sie auch deutlich als ein seriöser und kundiger Partner in politischen Gesprächen wahrgenommen.

Ja, es ist ganz wichtig, dass man mit Daten und Fakten aufwarten kann und nicht nur immer die Hand hebt und sagt: Ihr müsst mal das und das machen. Man muss auch aufzeigen, warum und welchen Effekt das für die Wirtschaft hat. Es geht um Prozesse, Reiseerleichterungen und steuerliche Dinge, die bei den Unternehmen manchmal zu viel Bürokratie führen. Ein Beispiel ist der Meldeschein, der jetzt sogar ganz wegfallen soll. Das sind alles kleine Wünsche, die wir schon seit Jahren in Berlin und Brüssel platzieren.

Und Ehren- und Hauptamt agieren dabei zusammen?

Ja, genau! Wir machen das in engem Schulterschluss. Wir haben festgestellt, dass in den Berliner Ministerien, in denen wir vorsprechen – Wirtschaftsministerium, Finanzministerium, Verkehrsministerium –, man doch gerne die Praktiker sehen will. Es ist zwar schön, wenn der Hauptgeschäftsführer etwas vorträgt, aber im Prinzip will man die Fragestellungen und Probleme aus der Praxis hören. Dabei sind meine Präsidiumskolleginnen und -kollegen sehr engagiert, besonders in letzter Zeit. Wir werden unterstützt von einer Agentur, die uns die Türen öffnet und uns die richtigen Gesprächspartner in den verschiedenen Ausschüssen besorgt.

Ist das nicht ein sehr mühsames Geschäft?

Wir haben die steuerliche Freistellung der Bahncard 100 für Geschäftsreisende erreicht. Da dachte ich, der ganze Aufwand lohnt sich doch! In einer neuen Legislaturperiode fängt man quasi bei null wieder an. Es sind zumeist neue Ansprechpartner da. Das ist immer ein Puzzlespielchen, was sich im Laufe der Jahre zusammensetzt und ergänzt.

Wie wichtig ist Brüssel für den Verband?

Wir versuchen jetzt auch in Brüssel, das Thema „multimodale Reisen“ zu platzieren. Die EU ist gerade dabei, einen Vorschlag zu machen, wie das in Zukunft aussehen soll. Da machen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnerverbänden Lobbyarbeit und versuchen, unser Know-how mit einzubringen.

Bleibt der Verband in Frankfurt?

Die Frage ist entschieden, weil es keine eindeutige Notwendigkeit gab, unseren Sitz nach Berlin zu verlegen. Wir haben deshalb den Schritt gemacht, der uns empfohlen wurde: Nehmt euch eine Hauptstadtadresse, keine Briefkastenfirma. Die Adresse ist besetzt durch unseren Partner in Berlin, sodass die Berliner Community den VDR auch in Berlin antreffen kann. Wir sitzen aber rein physisch in Frankfurt. Das funktioniert auch sehr gut. Die politische Arbeit ist zwar eine wichtige Aufgabe, aber nicht unsere Hauptaufgabe.

Eine politische Forderung zur letzten Bundestagswahl betrifft die Bescheinigung zur Sozialversicherung, die jeder Geschäftsreisende für jeden Auslandsaufenthalt neu beantragen muss. Leuchtet der Politik ein, dass diese Vorschrift wegfallen sollte?

Diese A-1-Bescheinigung ist eine „never ending story“. Es hängt auch an Brüssel bzw. der jeweiligen Ratspräsidentschaft, ob sie sich mit diesem Thema befasst oder nicht. Da geht es nicht nur um die Bescheinigung, sondern um die ganze Sozialversicherungsproblematik. Hier will man Missbrauch verhindern. Wir haben immer gesagt: Nehmt doch einfach die Geschäftsreise aus dem Prozess heraus. Alles andere mit Leiharbeitern oder ausländischen Hilfskräften, die hier bei der Ernte helfen, hat nichts mit unserem Thema zu tun. Aber da es ein ebenso kleines wie aufwendiges Thema für die Unternehmen ist, hat man es bis heute noch nicht geschafft, eine Lösung zu finden, mit der alle europäischen Staaten einverstanden sind.

Wenn Sie dazu beitragen könnten, die Bürokratie einzudämmen statt sie auszuweiten, hätten Sie schon viel erreicht für Ihre Klientel.

Absolut! Es ist gut, wenn man anhand konkreter Praxisbeispiele zeigen kann, was konkret daran hindert, die Reisen einfacher zu gestalten. Die Politiker sind übrigens ganz dankbar, wenn sie aus der Praxis solche Beispiele bekommen.

Sie haben den damaligen Forderungstext unter die Überschrift gesetzt: „Ökologisch effektive Geschäftsreise, Zukunft gestalten“. Was heißt denn das?

Wir wollen Geschäftsreisen nicht verhindern, sondern nachhaltig gestalten. Wir haben uns auf das Thema „klimaschonende Geschäftsreisen“ konzentriert. Was kann man tun, um die CO2-Ziele zu erreichen, aber trotzdem Reisen nicht abzuschaffen, wie es einige gefordert haben? Deswegen haben wir uns bei einem Projekt des Wirtschaftsministeriums beworben: „LIFT Klima“. Da wurde sehr viel geforscht und gefragt zum Thema Privatreise. Was ist denn mit dem Thema Geschäftsreise? Wäre es nicht interessant, auch dort etwas zu unternehmen und etwas vorzuschlagen? Wir haben tatsächlich den Zuschlag bekommen und im Oktober letzten Jahres das Projekt „LIFT Klima“ für die klimaschonende Geschäftsreise aufgestellt.

Gibt es schon Ergebnisse?

Wir sind zu einem Acht-Schritte-Modell gekommen, das wir den Unternehmen an die Hand geben: Was muss ich tun, damit ich in meinem Unternehmen Aufmerksamkeit für dieses Thema schaffe? Damit sich der Reisende vor der Buchung überlegt, ob er vielleicht Alternativen nutzen kann. Durch die Pandemie ist die digitale Konferenz besonders beliebt geworden. Ist das für den Zweck meiner Reise auch ein Mittel? Wenn ich reisen muss, plane ich die Reise CO2-optimiert. Welches Verkehrsmittel nutze ich? Habe ich Alternativen? Wenn ich innerdeutsch unterwegs bin, gehe ich eben nicht in den Flieger, sondern setze mich in die Bahn, die idealerweise zuverlässig fährt. Dann habe ich da schon mal einen Schritt gemacht, der dem Klima guttut. Und auch während der Reise verhalte ich mich möglichst klimaschonend. Wenn ich nach Übersee fliegen muss, nutze ich eine Fluggesellschaft, die heute schon die Möglichkeit zur Kompensation anbietet oder mit nachhaltigem Treibstoff fliegt. Insgesamt geht es darum, den CO2-Fußabdruck nachzuvollziehen, ihn berechnen zu können und möglicherweise am Ende zu reduzieren oder zu kompensieren.

Rechnen Sie mit Interesse bei den Unternehmen
?

Dieses Acht-Schritte-Modell haben wir gemeinsam mit Reisebüropartnern in Deutschland kommuniziert. Das war eine ganz konkrete Unterstützung, die sehr gut angekommen ist. Damit hört es natürlich nicht auf. Es ist nur ein Best-Practice-Beispiel.

Könnte der Verband mit diesem durchaus mutigen Schritt verhindern, dass staatliche Regelungen kommen, die man absolut nicht will?

Ja, das trägt vielleicht dazu bei. Wichtig ist am Ende, dass die Chance besteht, Klimaziele zu erreichen. Jeder muss einen Teil dazu beitragen: jeder für sich persönlich, die Gesellschaft, die Privatreise und eben auch die kleine Nische Geschäftsreise. Was wir nicht wollen, sind gesetzliche Regelungen, dass man etwas nicht mehr darf. Das wäre meiner Ansicht nach kontraproduktiv, wie etwa die Forderung, die im Raum stand, dass innereuropäisch alles unter 1.500 Kilometern mit der Bahn gefahren werden muss. Hier wollen wir eine Lösung anbieten, die beides kombiniert: das Geschäftsziel erreichen durch eine klimaschonende Wahl der Reisemittel.

Müssen Sie in der Öffentlichkeit Verständnis dafür wecken, dass der persönliche Kontakt nicht völlig aufgegeben werden kann?

Ja, das ist der wichtige Punkt. Wir haben nach der Pandemie alle herbeigesehnt, dass man sich wieder treffen kann. Aber natürlich hat die Pandemie neue digitale Möglichkeiten geschaffen. Vieles, was selbstverständlich war, nämlich der Flug früh morgens nach Berlin, zwei Stunden Meeting, dann wieder zurück, ist passé. Das macht man nur noch, wenn es wirklich nicht anders geht. Aber es gibt heute sehr gute Alternativen.

Hat sich nach der Pandemie auch im Verband etwas geändert, bezogen auf die Anwesenheitspflicht im Büro?

Wir haben während der Pandemie alle zu Hause gearbeitet. Jetzt bieten wir Home­office an, aber trotzdem müssen einmal im Monat alle an Bord sein, um den persönlichen Austausch zu ermöglichen.

Sie meinen, die Situation ist beim Geschäftsreisenden anders?

Wenn ich das Gegenüber noch nicht kenne, aber trotzdem ein Geschäft machen und etwas verhandeln will, ist der persönliche Kontakt durch den digitalen in der Regel nicht zu ersetzen. Der Vertriebsbereich wird auch weiter viel reisen, weil die Leute vor Ort sein müssen. Sie müssen zum Kunden, der persönliche Austausch ist extrem wichtig.

Gegen Schluss zu Ihnen persönlich: Gratulation – Darmstadt 98 ist aufgestiegen!

Ja, sehr gut recherchiert.

Aus Ihrer langen Erfahrung als Verbandsgeschäftsführer: Was hat Ihnen richtig Spaß gemacht, was hat Sie gehalten? Haben Sie zwischendurch mal überlegt, was anderes zu machen?

Nein, das nicht. Eine richtige Herausforderung war, auch persönlich, das Zusammenspiel zwischen Hauptamt und Ehrenamt. Das bleibt ein Spannungsfeld. Da hatte ich Glück, dass ich über die ganze Zeit zwar wechselnde Präsidien hatte, aber immer eine professionelle, persönliche Ebene gefunden habe und mir da die Freude nicht ausgegangen ist.

Ein anderes Spannungsfeld besteht zwischen der Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg der Service GmbH einerseits und andererseits dem Wunsch vieler Vereinsmitglieder, mit dem Mitgliedsbeitrag am liebsten alle Leistungen kostenlos zu erhalten. Das mussten mein Team und ich immer im Blick behalten. Diese Trennung zwischen Verbandsgeschäftsführung und GmbH-Geschäftsführung war herausfordernd und deshalb ist nie Routine aufgekommen.

In den 20 Jahren hat sich das Aufgabenspektrum immer weiterentwickelt,

immer sind neue Themenfelder dazu­gekommen, das möchte ich nicht missen. Und es wird jetzt auch nicht aufhören. Ich bin gerade dabei, meinen Nachfolger einzuarbeiten. Wir gehen die Themen durch, ihm wird auch nicht langweilig werden, das kann man jetzt schon sagen.

Ein erfolgreicher Verbandsgeschäftsführer sollte eher nicht unter dem Druck stehen, jeden Abend alles erledigt zu haben, oder?

Man sollte seinen Tag anders planen als zu sagen, ich muss meinen Berg abgearbeitet haben, bevor ich nach Hause gehe. Aber natürlich will man mal den Gipfel erreichen, doch dann sieht man den nächsten schon vor sich. Das ist eine konstante Aufgabe gewesen für mein Team und mich und hat trotzdem viel Freude bereitet.

Durch die Wissensansammlung im Laufe der Jahre weiß man doch eigentlich mehr als ein neuer Präsident. Wie schützt man sich davor, ihm das allzu deutlich zu sagen?

Das darf man den Präsidenten nicht spüren lassen! Aber da die Präsidiumsmitglieder Praktiker sind, werden sie immer einen gewissen Vorsprung an aktuellem Know-how haben. Ich habe vielleicht Wissen angesammelt aus der Historie heraus, aber dieses aktuelle Wissen musste ich mir immer besorgen. Deswegen war es so wichtig, dass ich einen guten Draht zu den Präsidiumsmitgliedern hatte, damit die mich immer ein Stück weit „aufschlauen“. Das hat hervorragend funktioniert.

Sie betonen die wichtige Rolle des Ehrenamts bei der Positionierung und Interessenvertretung des Verbandes.

Absolut! Das muss eine Wechselwirkung sein. Das Hauptamt unterstützt und ist dazu da, Projekte, Gedanken und Ideen des ehrenamtlichen Präsidiums in die Tat umzusetzen. So haben wir den Verband gelebt und uns immer wieder die Rückmeldung aus der Praxis geholt. Das ist ein konstanter Austausch von Wissen.

Wie wichtig ist es in so einem Kon­strukt, dass der Hauptgeschäftsführer Teil des Vorstands ist?

Ich habe das als sehr positiv empfunden, weil ich das Gefühl hatte, dass ich nicht nur mitreden, sondern auch mit abstimmen kann. Meine Stimme ist was wert in diesem Zusammenhang. Ich werde gehört und habe Einfluss, den ich nutzen kann. Ich bin eben nicht nur Befehlsempfänger von Entscheidungen, die ich dann umsetzen muss, sondern ich war Teil der Entscheidung.

Sie und die Ehrenamtler füllen unterschiedliche Rollen aus, aber da beide in einem Gremium gleichberechtigt sind, ist der Gegensatz nicht so krass. Habe ich Sie richtig verstanden?

Ja, das stimmt schon. Das Ehrenamt sagt natürlich: „Wir haben ja dich, du musst das alles umsetzen, mach mal.“ Aber ich war Teil dieses „ja, das können wir machen“. Ich bin selbst überzeugt worden, ich habe mit abgestimmt. Wenn man von etwas überzeugt ist, fällt es einem leichter, das umzusetzen, als wenn man als Befehlsempfänger die Entscheidung vielleicht nicht versteht, sie aber trotzdem umsetzen muss.

Gibt es noch ein wesentliches Thema, das wir nicht angesprochen haben?

Die ganzheitliche Mobilität wird eine große Aufgabe werden. Heute gibt es in den Unternehmen oft noch unterschiedliche Spieler: Die einen machen die Flotte, die anderen das Reisemanagement, die dritten das Veranstaltungsmanagement. Aber alle drei brauchen eigentlich Mobilität. Das zusammenzuführen, ist die Herausforderung.

Lieber Herr Biehl, diese Zeilen lesen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer. Wie kann man diese Position erfolgreich ausfüllen?

Bei allen Aufgaben, die man hat, egal welche Fachrichtung: Um einen guten Job zu machen, braucht man Humor, eine positive Einstellung zu den Dingen und ein funktionierendes Team. Das hat mich durch die Zeit getragen. Dann schafft man es, trotz aller Widerstände, erfolgreich zu sein!

Alle Menschen in Führungsverantwortung sollten Ihre Empfehlung beherzigen! Herzlichen Dank.

(HvV)

Hans-Ingo Biehl absolvierte nach dem Studium der Anglistik/Amerikanistik und Sportwissenschaft in Frankfurt am Main die Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann. Weitere berufliche Stationen in verantwortlichen Vertriebspositionen waren British Airways, World Airways, Sabena und Swissair. Im Juli 2002 übernahm er die Geschäftsführung der VDR-Service GmbH in Frankfurt. Seit 2002 ist er Geschäftsführer der VDR-Service GmbH und seit Oktober 2008 zusätzlich Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums beim VDR e. V. Am 1. Oktober 2023 verabschiedete sich Hans-Ingo Biehl in den Ruhestand

Quelle.Verbändereport 5/2023

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