Schaumküsse für Fasnachter
Blog 285/November 2022
Guten Tag, neulich las ich in der Mainzer Lokalzeitung einen Beitrag, der mich zu einem Leserbrief reizte. Der Leserbrief ist bisher noch nicht erschienen. Ich möchte ihn aber nicht vorenthalten.Es geht exemplarisch um das Einknicken verantwortlicher staatlicher Instanzen vor der kompromißlosen Meinungsvertretung von Minderheiten.Betroffenheitskult ist nichts Neues, das gleichnamige Buch von Cora Stephan erschien 1993. Aber mit der vermeintlich linken Cancel Culture und den Möglichkeien, über soziale Medien Entrüstung zu organisieren, die dann von den klassischen Medien aufgegriffen und verstärkt wird, ist die Unsicherheit staatlicher Verantwortungsträger, wie in Einforderungsfällen zu verfahren ist, erheblich gewachsen. Advokaten der Betroffenen lassen ,wie Ijoma Mangold treffend schildert, den Betroffenen kaum eine Wahl, nicht mitzumachen.
Hier der Leserbrief:
Meine Frau hat mich gewarnt. Ich soll diesen Leserbrief lieber nicht schreiben, denn alleine die Beschäftigung mit dem Thema würde mich in den Augen der mittlerweile nahezu allgegenwärtigen selbsternannten Sprachpolizisten zum Rassisten stempeln. Und wen der Vorwurf des Rassismus trifft, der hat nichts zu lachen. Aber um Humor geht es eigentlich. Da hat, lese ich, auf dem Hochheimer Markt sich eine Besucherin darüber echauffiert, dass an einem Süßigkeitenstand ein Schild dazu einlud, „Schaumküsse, Mohrenköpfe, Negerküsse“ zu erwerben. Die Standbetreiberin, zur Rede gestellt, habe daraufhin einen Zettel zu dem Schild gehängt, auf dem stand: „Schokoladenüberzogene Eiweißmasse mit Migrationshintergrund.“ Ist dies eine intelligente, humorvolle Replik? Die eine (!) besagte Besucherin hat sich , not amused, bei der Marktführung, offenbar nachhaltig beschwert. Die Marktführung hat die Besucherin nicht beruhigt, sondern die Standbetreiberin, wie man behördlicherseits nicht ohne Stolz vermeldete,“ zur Einsicht gebracht.“ Der Zettel wurde abgehängt. Damit nicht genug: Mittels einer ethischen Richtlinie sollen Vorfälle wie diese bei Verträgen mit Schaustellern und Händlern künftig vermieden werden. Was hier passiert, ist Stoff für Büttenredner, wenn sie sich denn trauen. Diese N-Geschichte (AZ: Man darf das Wort nicht mehr schreiben)wäre lustig, wenn sie nicht ein trauriges Beispiel mangelnden Humors und mangelnder Zivilcourage wäre. Bei Ijoma Mangoldt, Journalist und Schriftsteller, Sohn aus einer afrikanisch/deutschen Beziehung, findet sich dazu ein treffendes Zitat: „Ich kannte wahre Meister der Rassismus – Hermeneutik, vor deren Blick nichts sicher war und die mit der Selbstgewissheit der Beleidigten Diskriminierungen sahen, wohin sie nur schauten.“