Nachruf auf K.D.Bracher oder wie das Kasseler Tapetenmuseum kennen lernte.

29 Sep
29. September 2016

bracheranzeige

Blog 129/Sept. 2016
Guten Tag,

ich hatte das Glück, in Bonn Anfang der 70er Jahre am Seminar für politische Wissenschaft unter die Fittiche von Prof. K.D. Bracher zu kommen. Ich schrieb bei ihm dann meine Magisterarbeit und später meine Promotion und er unterstützte uns, ein Team von Nachwuchsforschern, bei einer DfG Förderung zur Gründung einer „Studiengrupppe Partizipationsforschung“. Ich fand ihn ungemein klug und sehr sympathisch.

Als ich ihn vor einigen Jahren zuletzt traf, das war in Kassel, war er ganz begeistert vom dortigen Tapetenmuseum und riet mir dringend, mich dort sofort

einzufinden. Was tut man, wenn der Lehrer einem was rät? Wenn es ein Lehrer war, den man sich gern zum Vorbild nahm, gehorcht man. Und so lernte ich das Tapetenmuseum kennen.

Bracher brachte uns auf seine behutsame aber beharrliche Art bei, dass Nationalsozialismus und Faschismus sorgsam zu unterscheiden sind und es viele Facetten des Faschismus gab und gibt. Zweitens spürte man dem urliberalen Mann an, dass ihm jeglicher Totalitarismus, verbunden in der Sehnsucht nach dem neuen Menschen und der damit verknüpften Freisetzung von moralischer Verantwortung in der politischen Praxis, zutiefst zuwider war. Drittens war ihm, der das Dritte Reich erlebt und durch die Ermordung seines Schwiegervaters erlitten hatte, der unkritische Gebrauch von Nazisprache, wie ihn die 68er gern praktizierten, unfassbar. Für ihn war selbst der Begriff „Schulung“ kontaminiert. Um die Bildung von Zivilisten mit Niveau und Eigensinn ging es ihm und nicht um die Fabrikation von kadertauglichen Revolutionssoldaten. Deswegen litt er, der die Notstandsgesetze abgelehnt hatte, in jenen Jahren der 68er Revolte wie viele seiner liberalen Kollegen mehr als mancher Konservative.

KD Bracher wurde 94. Seine Schüler veröffentlichten am 30. September in der FAZ eine Anzeige zu seinem Gedenken. Sie -auch ich- stellten sich gern in seinen Schatten.

Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge

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