Nicht nur an die Terroropfer von rechts erinnern- Ein Leserbrief

01 Mrz
1. März 2023

292/März 2023
Guten Tag, mein Freund Max Steinacher gehört in Tübingen zu den Menschen, die sich seit dessen Einkerkerung wöchentlich in Mahnwachen für die Freilassung von Raif Badawi einsetzen.
In einem Leserbrief an die dortige Lokalzeitung hat sich Max anlässlich einer Gedenkdemonstration in seiner Heimatstadt für die Opfer von Hanau dafür eingesetzt, dass die Erinnerungskultur breiter aufgestellt sein sollte. Die Opfer islamistischer Gewalt dürfen nicht ausgeklammert werden. Auch für sie sind Gedenkdemonstrationen bei Jahrestagen u.ä. richtig und wichtig.
Was den Täter von Hanau betrifft, zitiert Steinacher einen führenden forensischen Gutachter, der den Täter für eine psychisch tief gestörte Persönlichkeit hält. Das würde bedeuten, dass es sich hier um einen Einzeltäter handelt und die Ausrichtung des Gedenkens überdacht werden müsste.

Sehr lesenswert!
Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

Samstag, 25. Februar 2023
Seite 31
Tübinger Chronik
Leserbriefe
Nicht vergessen
Max Steinacher, Tübingen
In Tübingen gedachten rund 200 Menschen der Opfer eines Rassisten in Hanau vor drei Jahren.
Am dritten Jahrestag des Anschlags von Hanau wurde an die neun Opfer erinnert („Gegen den in der Gesellschaft verwurzelten Rassismus“). Ja,wir dürfen die Opfer nicht vergessen.
Auch nicht die zwölf Menschen, die am 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin ihr Leben verloren, die 193 Toten vom Atocha-Bahnhof in Madrid, die 86 Toten von Nizza, die 89 Toten vom Bataclan-Theater, Samuel Paty und viele andere. Die Täter: Rassisten, Islamisten oder was?

Tobias Rathjen, der 43-jährige Mörder von Hanau, hinterließ eine Videobotschaft auf seiner Website, in der er sich an das amerikanische Volk wandte. Er warnte vor unsichtbaren Geheimgesellschaften, die ihr Land kontrollierten. In Untergrund-Militärbasen werde der Teufel angebetet,kleine Kinder missbraucht und getötet.
Hans-Ludwig Kröber, einer der renommiertesten deutschen forensischen Gutachter, hat in der „Zeit“ vom 23. April 2020 ausführlich die Persönlichkeit des Mörders analysiert. Er fasst zusammen: „So imponiert das Geschehen eher als ein finaler psychotischer Amoklauf denn als ein ideologisch motivierter Terroranschlag (…) Rathjen gehört zu der kleinen Minderheit schizophren Erkrankter, die gefährlich werden, wenn sie unsichtbar und unbehandelt bleiben.“

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