Viereck schreibt über das Buch von Vieregge

01 Apr.
1. April 2025

328/April 2025
Guten Tag,
von Jürgen Werner habe ich folgende Notiz gelesen, die mir gefallen hat:
„Das unterscheidet die Autobiographie von der Lebensbeschreibung durch andere, dass sie sich die Freiheit herausnimmt, die eigenen Geschichten stets neu und anders interpretiert erzählen zu können. Nicht einmal stimmig müssen sie sein, wenn sie denn zur Unterhaltung und gelegentlichen Belehrung beitragen. Deutungshoheit über das Persönlichste ist der klarste Ausdruck dafür, dass Menschen stets mehr sind als das, was sie sind, um das zu sein, was sie sind.“

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Konrad von Viereck hat mir eine Besprechung meines Buches „Die Glücksverwöhnten“ geschickt, die ich der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten möchte. Der Name des Rezensenten wirft die Frage auf, ob die Rezension auf dem Boden von Vetternwirtschaft entstanden ist. Es muss in den Wirren des 30-jährigen Krieges gewesen sein, als die Familien sich durch verschiedene Schreibweise getrennt haben. Somit liegt die Vetternschaft zurück. Gleichwohl sind, wie Viereck in der Rezension unterstreicht, die Wurzeln durchaus ähnlich.
Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge

Rezension
Henning von Vieregge, DIE GLÜCKSVERWÖHNTEN Neuauflage seines Erstlings UNTER DER GLÜCKSHAUBE

Der Autor entstammt einer alten Mecklenburger Adelsfamilie. Nach dem Krieg von der Roten Armee verjagt, der Vater schwer verwundet, die Mutter zunächst als Haushaltshilfe tätig. Statt in einem Herrenhaus mit goldenen Tellern wurde er in einer winzigen Speicher-Wohnung irgendwo in Holstein in Zeiten von Entbehrung und purer Not geboren. Über das, was folgt, seinem mühsamen Weg aus den erlebten bedrückenden Nachkriegsjahren nach oben, Richtung blauer Himmel, hat Vieregge 60 Jahre lang ein Tagebuch geführt und daraus nun einen facettenreichen Lebensbericht verfasst.
Aber anders als viele seiner 68ziger Zeitgenossen, die zumeist den kleinbürgerlichen Milieus und dem Mief jener Jahre entkommen wollten, bleibt Vieregge in seiner gerahmten Welt, positiv und respektvoll, besonders gegenüber der Lebensleistung von Eltern und Großeltern. Denen er sich liebevoll bis auf den heutigen Tag mehr als verbunden fühlt. Das liest man nicht aller Tage, schon gar nicht in Zeiten, in denen das Ich wichtiger geworden ist als das Wir, und alles nur noch aus dem Netz kommt, oft ohne die notwendigen Zusammenhänge. Das macht dieses Buch so lesenswert.
Ich habe fast den gleichen Namen, fast die gleiche Vorgeschichte, bin fast der gleiche Jahrgang und ebenfalls ein Flüchtlingskind mit vielfach fast gleichen seelischen Traumata und Trümmern im Gepäck. Insofern kann ich nur bestätigen und unterstreichen: unser beider Generation ist tatsächlich glücksverwöhnt, zum einem mit Augenschein auf das, was erreicht wurde, zum anderen gerade heute in der Unordnung unserer augenblicklichen Welt und dem vielen Gerede über die Zeitenwenden dieser Tage.
Dieses unser Leben als Glücksverwöhnte mag nicht gleich auf den ersten Blick als solches erkennbar sein, umso dankbarer bin ich Henning Vieregge für seine Ausführungen. Zudem hat er auch noch das Glück, dass es ihm vergönnt ist, darüber schreiben zu können. Nicht umsonst schließt sein Bericht mit einem Bild seiner “großen schönen“ Familie, die ihm letzt-lich eine solche Erfüllung ermöglicht hat.
Bleibt zu wünschen, dass er damit auf besonders viele Leser trifft. Ähnlich wie Herr Nikolic in der Geschichte Die Autobiographie von Ivo Andrić in der ein unscheinbarer Richter aus einer Kleinstadt immer wieder versucht, dem arrivierten Autor ein Manuskript anzudienen. Es dauert bis der berühmte Andrić begreift, dass Herr Nikolic ihm kein Papier, sondern sein Leben übergeben will…

Konrad von Viereck

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