Hebron als Symbol der Unverträglichkeit, Israel und Palästina wollen keine Versöhnung

07 Jan
7. Januar 2019

Blog 194/2019

Willkommen im jüdischen Hebron

Guten Tag,
gestern nochmals mit Freunden, die auch gerade in Israel waren, über die Chancen einer friedlichen Einigung zwischen Israel und Palästina diskutiert. Was hätten beide Staaten von einer Einigung für Vorteile, sei es in der Zwei-Staaten-Lösung, sei es in einem Staat? Am Beispiel von Hebron lässt sich die obwaltende Engstirnigkeit demonstrieren. Abraham, der Urvater, wird mit zwei streng von einander getrennten Zugängen verehrt.Abraham, der Urvater der Muslime versus Abraham, der Urvater der Juden.

Für Schutz ist gesorgt

Jan und Aleida Assmann haben in ihrer Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels zu Hebron als Weltkulturerbe deutliche Worte der Kritik gefunden. Die Geschichtsvergessenheit ist dieses Mal auf palästinensischer Seite.

Mit besten Grüßen
Henning v. Vieregge

Hier der Redeausschnitt (die gesamte Rede ist im Netz):

Shared heritage?

Die Grenzen von Kulturen – das möchten wir hier noch einmal betonen – sind durchlässig. Die Dolmetscher gehören zu den ältesten Berufen der Welt, sie haben die Händler auf ihren Routen begleitet. Kulturen überschreiten Grenzen durch den Import und Export von Büchern, durch Übersetzungen, Aneignungen und Umdeutungen. Durch Kontakt mit anderen Kulturen verwandeln sie sich, gehen ineinander über, inspirieren und modifizieren sich gegenseitig. Sie lassen sich weder stillstellen noch in nationale Grenzen einsperren.

Zum kulturellen Gedächtnis gehören aber nicht nur Bücher und heilige Texte, sondern auch Denkmäler, Landschaften und Orte. Ein aktuelles Beispiel ist Hebron, die größte Stadt im Westjordanland, das von Israel besetzt ist. Vor einem Jahr hat die Stadt einen Antrag auf

Anerkennung der Altstadt als Weltkulturerbe gestellt, der von der UNESCO angenommen wurde. Ein solcher Antrag dient generell der Würdigung und Erhaltung alter Bausubstanz, der touristischen Vermarktung und auch dem Nationalstolz. Dieser Antrag ist aber zudem ein Politikum, weil er nur sehr selektiv auf die Geschichte des Ortes Bezug nimmt. Er bezieht sich auf Bauten aus der spätmittelalterlichen Mamelukenzeit, schließt aber auch die Ibrahimi-Moschee im Zentrum der Stadt mit ein. Diesen gigantischen Bau hatte bereits Herodes vor 2 000 Jahren über der Machpela – der Grabstätte der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob – errichten lassen.Mit der Islamisierung im 7. Jahrhundert wurde der Bau zur Moschee. Im 12. Jahrhundert diente er den christlichen Kreuzfahrern als Kathedrale, bis er nach der Rückeroberung durch Saladin wieder zur Moschee wurde.

Die Bautätigkeit der Mameluken im 15. Jahrhundert bildet also erst die fünfte historische Schicht dieser einmalig komplexen multireligiösen Geschichte. Von den vier früheren historischen Schichten ist im Antrag nicht die Rede. Die scharfe Reaktion Israels und der USA blieb nicht aus: Beide haben im Protest beschlossen, bis Jahresende aus der UNESCO auszutreten.Die Altstadt von Hebron hat eine jüdische, christliche und islamische Geschichte, die im kulturellen Gedächtnis der drei Monotheismen gleichermaßen präsent, heilig und lebendig ist, weil sich alle auf Abraham als ihren Stammvater beziehen. In diesem Anstoß für den Konflikt könnte aber genauso gut auch eine Lösung liegen, wenn die verschiedenen Schichten der Geschichte wieder zusammengefügt und als ein »gemeinsames Erbe« angenommen würden. 2018 wurde von der EU ja zum »Jahr des gemeinsamen Erbes« deklariert. Ein von Israel und den Palästinensern gemeinsam eingereichter Antrag könnte die ganze Geschichte des Ortes anerkennen und wäre damit zugleich sein bester Schutz.

Als palästinensisch-israelisches Weltkulturerbe könnte sich die Altstadt von Hebron von einem Ort der Gewalt und des Terrors in einen Ort der Annäherung, der Kooperation und des Friedens verwandeln. So steht ja auch auf der Website »auf Grund ihrer Sichtbarkeit und ihres Wertes für die Weltgemeinschaft ein besonderes Potential zur Völkerverständigung « bieten. Hier kommt uns auch noch der Ortsname zu Hilfe. »Hebron« heißt auf Hebräisch »Chevron«, das kommt von Chaver, Freund, und bezieht sich auf Abraham als Freund Gottes. Der arabische Name »Al-Chalil« heißt ebenfalls Freund (und bezieht sich auf Abraham). Hebron heißt also nichts anderes als »Stadt des Freundes«.

In der Stadt des Freundes hat man sich aber leider bislang taub gestellt gegenüber dem Friedenspotenzial, das die alten Texte ja auch enthalten. Was hier trennt, ist der ausschließliche Anspruch auf Wahrheit. Eine Perspektive des Friedens dagegen kann uns ein ganz einfaches Kriterium eröffnen, das wir auch bei Karl Jaspers gefunden haben:

»Wahr ist, was uns verbindet!«

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