Das „Wort zum Sonntag“ ist nicht alternativlos

16 Jun
16. Juni 2014

67/ 2o14 Juni

Guten Tag, In der Sonderbeilage der Verlagsgruppe Rhein-Main WM- Extra vom 16. Juni 2014 gibt es einen Beitrag zum Wort zum Sonntag. Das ist nun selten genug. Aber wieso im Sportteil? Wieso unter der Überschrift „Ein klassisches Eigentor“? Im Vorspann heißt es, am Samstagabend, ARD, Wort zum Sonntag habe die Frankfurter Pastoralreferentin Verena Maria Kitz in die Metaphern – Kiste gegriffen und Fußballfans hätten belustigt bis fassungslos reagiert. Offenbar ist sie über den Versuch gestolpert, das Bild vom  „Seitenwechsel“ zu nutzen, zumal sie es auch noch mit Humor versuchte „Also ich, ich bekomme am Anfang der zweiten Halbzeit immer erstmal einen Schreck. Und denke: hoch, die spielen ja aufs falsche Tor“. Ihr Anliegen war es, über soziale Probleme Brasiliens zu sprechen. Warum eigentlich?Die reichlich fidel auftretende katholische Predigerin riet in aufgesetzter Munterkeit zum Seitenwechsel . Jemand anders solle doch mal das Bier in der Pause holen.

Weil der Scherz so gut war, wiederholte sie ihn. Um dann ansatzlos von der brasilianischen Fußballfreude zum brasilianischen Sozialelend überzuschwenken. Daran sollte jeder Sofapupser, befreit vom Bier holen, mal ernsthaft nachdenken. Das ist die große Gefahr bei Kirchenleuten. Sie sind  tun so, als seien sie die besseren Menschen, wenn dies niemand braucht, und offenbaren im Versuch, sich volkstümlich zu nähern, ihre Ahnungslosigkeit. Dass die Mehrzahl der Gucker in Public Viewing Veranstaltungen fröhlichst Event feiert, ist ihr beim engagierten Elendsblick wohl entgangen. Da war die abgestandene Vorstellung vom einsamen Biertrinker vor der Glotze, der die Gattin in der Pausezum Nachschub holen schickt und nun mal selber gehen sollte oder eines seiner vermutlich zahlreichen und verwahrlosten Kinder, passender.

So ist das bei Kirchens: Wenn man sich mal freut, gleich einen druff. Die Sünde lauert in jedem Vergnügen. Kirche als Problemversteher und Spaßbremse, na toll. Das nennt man eine echte Werbeaktion. Komm zu uns, freuen könnt Ihr euch woanders.

Vielleicht haben ja  nur der Journalist der AZ und der Schreiber dieser Zeilen geschäumt und andere Zuschauer fanden die Frau attraktiv und den Text wohltuend anders. Oder taten, was sie sonst immer beim Wort zum Sonntag tun und was auch die flehentliche Aufforderung, es heute nicht zu tun, nicht veränderte: Sie hörten einfach nicht zu. Im Web ist jedenfalls  kein Shitstorm zu finden. Vielleicht ist dies das größere Desaster. Was ein Skandal sein könnte, ist keiner mehr.

In der Eigenwerbung zur Sendung heißt es übrigens über die Darstellerin (das steht da tatsächlich so: Darstellerin): „Die Frankfurter Pastoralreferentin Verena Maria Kitz schätzt ein klares Wort zur richtigen Zeit, mag keine frommen Floskeln und findet es wichtig, dass öffentlich von Gott geredet wird: Die Frankfurter Pastoralreferentin Verena Maria Kitz (46) zeigt seit 2008 im Fernsehen, wie das zusammen passt.“

Ihr Beitrag „Seitenwechsel“ kann jeder nachlesen und sich ein eigenes Urteil bilden.

http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/442936_das-wort-zum-sonntag/21860978_verena-maria-kitz-spricht-zum-thema-

Aber über den Einzelfall hinaus gefragt: Hat man denn mit diesem Format überhaupt eine Chance, einer der beiden Gefahren, Langeweile oder Anbiederei, zu entkommen? Das war wohl die Überlegung eines  Meinungbeitrags in der evangelischen Zeitschrift „Zeitzeichen“, in der vor kurzem der Publizist Arno Frank dazu aufforderte, Kirche solle sich von diesem Sendeplatz zurückziehen. Richtig ist, dass sich die Sehgewohnheiten entschieden verändert haben und  dass sich alle Fernseherformate diesem veränderten Zeitgeschmack angepasst haben, sich bei diesem Format aber nicht wirklich etwas verändert hat. Aber muss man sich denn, Blamage vermeiden wollend, von einem so attraktiven Sendeplatz, der einmal aufgegeben nie wieder eroberbar wäre, mutlos zurückziehen? Ich habe in einem Leserbrief, der im Zeitzeichen der jüngsten Ausgabe abgedruckt wurde, einige Vorschläge gemacht, die eine vertiefte Diskussion ermöglichen könnten. Allerdings ist Skepsis angebracht. Wenn öffentlicher Rundfunk auf zwei Kirchen trifft, ist Innovation wohl eher nicht die Regel.

 

Der Text: ( aus: Zeitzeichen Nr. 6/2014 S. 59)

Ich fand die Polemik von Arno Frank, das Wort zum Sonntag betreffend, erfrischend (Zeitzeichen Nummer 3/i 2014 S.17). Frank fordert die Abschaffung des Worts zum Sonntag. Das ist natürlich Unsinn. Einen solchen Sendeplatz gibt man nicht auf, aber wie füllt man ihn besser? Kümmern wir uns nicht um etwaige Sachzwänge und allfälliger Bedenkenträgerei, sondern fantasieren munter drauflos. Meiner Meinung nach wären vier Ansätze sehr unterschiedliche Art besser als das bisherige Wort zum Sonntag.

Ansatz eins: „Ich hätte da mal eine Frage…“ Ein Zuschauer fragt eine Lebensfrage, ein Theologe antwortet: kurz, verständlich und sympathisch. Z.B. „Was ist Liebe?“  „Ist ein Trauerjahr noch zeitgemäß? „Kirche antwortet und beweist so ihre Wertekompetenz.

Ansatz zwei: „Worum geht es bei Himmelfahrt? Warum sollte ich mein Kind taufen lassen? Muss ich Christ sein, um in der Kirche zu heiraten?“ Bei diesem Ansatz geht es um die Vermittlung von Grundwissen von Glauben und Kirche. Es wird nichts voraussetzt, sondern erklärt.

Ansatz drei:  „Kulturtipps aus christlicher Sicht“. Hier werden nicht Musik, Bücher oder Filme, die auf allen Kulturseiten besprochen werden, nochmals besprochen, sondern speziell solche mit christlichem Anspruch.

Ansatz vier: „Religion kontrovers“ Zwei Theologen äußern sich kontrovers zu einer Frage. Beispiel: „Sollte Kirche Homoehen segnen?“ oder „Sollten Militärpfarrer abgeschafft werden?“  Es gibt ein Pro und Contra und kein richtig oder falsch. So zeigt sich Kirche offen für Kontroversen und interessiert für weiterführende Diskurse.

Ich bin mir sicher, dass es noch sehr viel mehr diskussionswürdige Alternativen zum Wort zum Sonntag gibt. Ich würde mir wünschen, dass eine solche Diskussion denn auch zustande kommt. Das gilt natürlich auch für andere Sendeplätze im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem.

Mit besten Grüßen

Dr. Henning von Vieregge

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