P. Martin Löwenstein SJ und Prof. Helmuth Mühlmeier über mein Buch „Beneidenswert“

22 Nov.
22. November 2025

341/November 2025
Guten Tag
Martin Löwenstein ist Jesuit. Er ist ein hinreissender Prediger (https://www.martin-loewenstein.de/) und ein kluger Beobachter von Gott und Welt. Er redet niemandem nach dem Mund. Wir sind nicht eng befreundet, dazu waren wir im Leben zumeist zu weit auseinander. Zur Zeit ist er in München. Für mich überraschend schrieb er mir nach längerer Funkstille zwischen uns. Es war eine Rezension meines Buches „Beneidenswert-Wenn Babyboomer 65 und Achtundsechziger 80 werden“. Diesen Text möchte ich Euch und Ihnen nun gern zum Lesen geben.
In dem sehr flott aufgemachten Heft für die Pastorenschaft in Süd- und Nordhessen mit Namen “ Das Magazin“ hat Prof. Helmuth Mühlmeier eine Rezension zum gleichen Buch geschrieben. Kurz und lesenswert.
Mit herzlichen Grüßen
Henning v. Vieregge

Das Buch berührt, zumal, wenn ich den Autor kenne und Dir in Freundschaft verbunden bin.
Du beschreibst eindrucksvoll, wie die Generation der Babyboomer und Achtundsechziger in einen historisch neuen Freiraum eintritt, der viele Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen birgt. Besonders angesprochen hat mich Deine differenzierte Darstellung der fünf Phasen des Übergangs vom Berufsleben in die neue Lebensphase – von Fassungslosigkeit über das Erkennen der Realität, das Zu-Atem-Kommen, den Neustart bis hin zum Angekommensein. Diese Phasen sind nicht nur für „weltliche“ Karrieren relevant, sondern spiegeln sich auch im Leben von Ordensleuten wider.

Gerade wir Jesuiten kennen keine feste Altersgrenze. Das hat Vorteile – wir dürfen und sollen uns bis ins hohe Alter einbringen, Verantwortung übernehmen, Sinn stiften und Generationen verbinden. Aber es bringt auch die Gefahr mit sich, den Absprung zu verpassen, die eigenen Grenzen zu übersehen und sich schwer zu tun, die Arbeit loszulassen. Die von Dir beschriebene „Encore Career“, die Karriere nach der Pensionierung fällt für uns Jesuiten aus, ist zumindest oft kein klarer Schnitt, sondern ein fließender Übergang, der manchmal zur Überforderung führen kann. Deine Thesen zum Weiterdenken, insbesondere die zum „Unruhestand“ und zur Notwendigkeit, das Neue zuzulassen und zu integrieren, treffen hier einen wunden Punkt.

Du schreibst, dass der Begriff „verdienter Ruhestand“ an Attraktivität verliert und oft nur noch als Trostformel dient, um jemanden aus dem Weg zu räumen. Das ist für Ordensleute, die sich ihr Leben lang als „gebraucht“ und „gerufen“ verstehen, eine besonders schwierige Erfahrung. Die von Dir geschilderten Statusängste, die Suche nach neuer Struktur und Sinn, das Ringen um Anerkennung und das Loslassen von alten Rollen – all das begegnet mir auch in Gesprächen mit Mitbrüdern, die sich fragen, wie sie ihre „gewonnenen Jahre“ sinnvoll gestalten können.

Sehr wertvoll fand ich Deine Betonung der Bedeutung von Ritualen, Routinen und kleinen Alltagsstrukturen, um Halt zu finden. Auch das tägliche Gebet, das Du als Möglichkeit erwähnst, den Tag zu rahmen, ist für uns Ordensleute ein zentrales Element, das hilft, die innere Aufmerksamkeit zu bewahren und nicht in Belanglosigkeit oder Aktivismus zu verfallen.

Die Rolle der Großeltern haben wir natürlich nur übertragen, aber das Weitergeben von Erfahrung und Werten, und die Bedeutung von Generativität und Empathie im Alter – das wäre auch für unsereins schick. „Für-andere-da-Sein“ und das „Magis“ – das Mehr an Hingabe – sollte ja auch im Alter nicht aufhören. Gleichzeitig ist es eine Kunst, rechtzeitig loszulassen und anderen Platz zu machen, ohne sich selbst zu verlieren. Hier sehe ich eine Parallele zu Deiner These, dass der Rollenwechsel – vom Macher zum Ratgeber, vom Anweiser zum praktisch Handelnden – eine Chance ist, neue Erfahrungen zu sammeln und nicht im aussichtslosen Wettbewerb mit den Nachfolgern zu verharren.

Besonders gefallen hat mir Deine Ehrlichkeit im Umgang mit Brüchen, Krankheiten und der Endlichkeit des Lebens. Die von Dir zitierten Stimmen, die sich auf das Leben nach dem Tod freuen oder es als offene Frage stehen lassen, spiegeln auch die spirituelle Weite wider, die ich mir für mich im Alter wünschen würde.

Das Buch ist stark auch in den vielen praktischen Beispielen: von der Bedeutung der Freundschaft, der Kraft von Haustieren (geht in Jesuiten-WG gar nicht!), dem Wert von Engagement und der Notwendigkeit, sich auch im hohen Alter nicht zu isolieren. Ich versuche gerade hier in einen neuen RC zu kommen….

Intergenerationeller Dialog,, Service Learning oder die „Generationsbrücke“ klingen gut, um den Austausch zwischen den Generationen lebendig zu halten. In der Praxis habe ich es noch nie wirklich erlebt – außer als Nebenprodukt des alltäglichen Zusammenlebens, wie es in den Kommunitäten bei uns ja normal ist.

Also: Gratulation zu dem Büchlein!

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