Bürgerentscheid in Mainz: Brief an eine Gegnerin

03 Apr
3. April 2018

Blog 174/April 2018

Liebe C., Du hast geschrieben, dass Du beim Bürgerentscheid am 15. April in Mainz gegen den Bibelturm stimmen wirst. Du hast wesentlich zwei Gründe genannt: Erstens würde ein Bibelturm den Liebfrauenplatz, von den Mainzern geliebt als Ort des Marktfrühstücks, verkleinern und verhässlichen. Zweitens sei der Bau der Öffentlichkeit nur zu einem geringen Teil (60 m²) zugänglich.

Ob ein solches Bauwerk verschönt oder verhässlicht, das ist Ansichtssache.

Es gab einen Architekturwettbewerb, der nach allen mir zugänglichen Informationen hoch besetzt und in der Durchführung vorbildlich war. Der Siegerentwurf eines Hamburger Büros, DFZ, überraschte und überzeugte mit der Idee des Turms, fortan Bibelturm geheißen, eigentlich richtiger Letterturm. Denn die Form entspricht einer Patrize, wie man sie bis vor Aufkommen des Digitaldrucks verwendet hat. Die Außenhaut symbolisiert mit seinen Buchstaben die Gutenbergsche Erfindung. Für die Befürworter dieses Baus stellt der Turm somit keine Fortsetzung der in der Tat zumeist öden Nachkriegsarchitektur in Mainz dar, sondern ist ein Signal mutigen Aufbruchs. Er könnte fortan durchschnittliche Architektur in Mainz erschweren. Dieser Turm und die unterirdische Verbindung zwischen Turm und Museum stellen den ersten Bauabschnitt dar. Dieser ist finanziert. Alles Weitere nicht. Das Gutenbergmuseum ist in städtischer Trägerschaft. Man kann davon ausgehen, dass die Stadt allein nie und nimmer ein Projekt dieser Größenordnung, nämlich die nachdrückliche Modernisierung und den Ausbau des Museums auf Deutschland-Niveau hinbekommt. Auch das spricht dafür, das Risiko einzugehen, das Geld für den Turmbau zu nehmen und dann die Politik zu fragen: Und was nun? Die Museumsleiterin Frau Dr Annette Ludwig, die seit acht Jahren versucht, das Museum voranzubringen, hat mich in diesem Punkt endgültig für den Turm als ersten Bauabschnitt überzeugt. Denn sie sagt, dass nach ihren bisherigen Erfahrungen eine erweiterte Trägerschaft (um Land und Bund) ohne ein pfiffiges Gesamtkonzept völlig chancenlos sei. Mit dem Turm gewissermaßen als Fanal, als Nagel im Fleisch der Politik, ließe sich neu ansetzen.
Zur Aussage, es stehe nur eine geringe neue Ausstellungsfläche zur Verfügung, gibt es eine korrigierende Information. Sie lautet: Der Bibelturm mit ca. 150 m² Grundfläche bietet ca. 400 m² neue Ausstellungsfläche. Das kommt dadurch, dass auch die neu gebaute unterirdische Passage zwischen Bibelturm und Haus für Ausstellungszwecke genutzt werden soll.
Auch das Argument, das Marktfrühstück sei gefährdet, ist widerlegbar. Der Turm braucht nur 150 m² von 6200 m² des Platzes, also 2,5 %. Die Stadt ist dabei, ein Versäumnis nachzubessern. Sie hatte den Architekten nicht mit der Neuplanung des Platzes beauftragt. Die neue Planung soll die Nutzung durch das Publikum verbessern. Dann bleiben die drei Platanen, die wohl fallen müssen. Ich finde nicht, dass dies ein Argument ist, was die Pro- Argumente schlagen könnte.

Mit herzlichen Grüßen
Henning

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