Zwei-Klassen-System im Ehrenamt: Fitte Alte dürfen überall anpacken, nur nicht im Bundestag

26 Mrz
26. März 2017

Blog 145 vom 26. März 2017, erweitert am 1.4.

Guten Tag,
in der ZEIT vorletzter Woche gab es zum Thema den Aufschlag: Ein AfD-Mann könnte Alterspräsident im nächsten Bundestag werden. Bundestagspräsident Norbert Lammert, eigentlich ein besonnener Mann, dachte sich, das wollen wir nicht Da ändern wir das Verfahren so, dass nicht mehr der an Jahren, sondern der an Dienstjahren älteste Politiker die traditionelle Eröffnungsrede hält. WELT und Süddeutsche vom 25. 3. waren sich in ihren Kommentaren selten einig: So nicht.Die FAZ zog am 29. nach. Alle argumentierten gleich: Regeln sind da, um gehalten zu werden und nicht, um sie zu verbiegen, wenn es parteienopportun erscheint. Selbstverständlich kann man eine Regel ändern, aber dann bitte aus grundsätzlicher Erwägung. Die Linke, die sich nicht nur an dieser Stelle zu den neuen Superdemokraten aufspielen, begründete ihr Demokratieverständnis und entlarvte es gleichzeitig: Man wolle eine Eröffnungsrede durch einen AfD-Abgeordneten verhindern. Punktum.Das reicht als Begründung, um eine seit Jahren bewährte Regel zu ändern.

Die anderen Parteien argumentieren scheinbar geschickter: Ein Alterspräsident

müsse in den Formalia erprobt sein. „Alt und unerfahren“, das gehe nun gar nicht. In der FAZ vom 31.3. S. 8 unter dieser Überschrift erinnert freilich Günter Bannas daran, dass im Fall des Stefan Heym, der als Kandidat der PDS (heute Linke) 1994 als ältester Abgeordneter in den Bundestag einzog, sich eine Lösung fand: Man zog die Wahl des Bundestagspräsidenten in der Tagesordnung vor die Rede des Alterspräsidenten.

Nicht erörtert wird die Frage, warum die jetzt im Bundestag vertretenen Parteien voraussichtlich nach den Wahlen nicht den ältesten Abgeordneten in ihren Reihen haben werden. Wilhelm von Gottberg oder Alexander Gauland sind älter. Beide wären in ihren Siebzigern erstmals im Bundestag, wenn die AfD so abschneidet, wie die Demoskopen es vorhersagen. Da stellt sich die Frage, warum ältere Menschen praktisch keine Chance im Parteiensystem (Ausnahme AfD) haben, quer in die Politik einzusteigen?

„Fitte Alte“ dürfen überall, wo es klemmt, ehrenamtlich mit anpacken.
Und gern auch als Neueinsteiger ; fast 25 Prozent haben das nach der Generali Altersstudie 2013 tatsächlich getan. Überall außer in der Politik. Alle diejenigen, die gern mit dem Klassenbegrief hantieren, haben hier ein freies Empörungsfeld: Es gibt im Ehrenamt ein Zwei-Klassen-System. Äletre Menschen dürfen gern umsonst arbeiten, aber da wo es (nicht wenig) Geld gibt, da hat die Jugend Vorfahrt. Ich plädiere nicht für lebenslange Abgeordnetenzeiten, aber sehr wohl dafür, dass Parteien immer wieder überlegen, ob nicht einige parteipolitische Quereinsteiger mit Lebenserfahrung unseren Parlamenten gut täten.

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